Das bundeseigene Julius Kühn-Institut (JKI) hat einen pilzresistenten Apfel gezüchtet, der nun als Sorte zugelassen wurde. Die neue Sorte Pia41 widersteht Schorfpilzen, die die Resistenzen anderer Sorten bereits durchbrochen haben. Erzielt wurde der Züchtungserfolg ohne gentechnische Veränderungen durch herkömmliche Kreuzung.
Dabei verwendeten die Forschenden des JKI-Fachinstituts für Züchtungsforschung an Obst in Dresden-Pillnitz die Apfelsorten Honeycrisp und Nicoter. Nicoter ist eine belgische Züchtung aus den gängigen Sorten Gala und Braeburn, die auch als exklusive Klubsorte unter dem Namen Kanzi vermarktet wird. Die bei uns kaum bekannte Honeycrisp wurde an der Universität von Minnesota gezüchtet und gehört inzwischen zu den Top-3-Sorten der USA. Sie hat in ihrem Erbgut zwei Schorfresistenzgene namens Rvi19 und Rvi20. Mindestens eines davon, Rvi19, hat Honeycrisp an Pia41 vererbt.
Der Vorteil aus Sicht der Apfelanbauenden: Die Resistenz bekannter europäischer Apfelsorten wie etwa Santana, Topaz oder Natyra gegen den durch den Schlauchpilz Venturia inaequalis hervorgerufenen Apfelschorf basiert auf dem Resistenzgen Rvi6 des Wildapfels Malus floribunda. Viele Schorfpilze sind inzwischen in der Lage, diese Resistenz zu durchbrechen, so dass die Wirkung immer mehr schwindet. Bei Rvi19 und Rvi20 sind solche Durchbrüche in Europa noch nicht bekannt. Die JKI-Forschenden hatten Pia41-Pflanzen im Gewächshaus mit Schorf-Isolaten infiziert, die eine vom Gen Rvi6 vermittelte Resistenz brechen können. Die Pflanzen zeigten keinen Schorfbefall und blieben auch in der fünfjährigen Testungsphase schorffrei. Auch sonst zeigten sie keine besonderen Anfälligkeiten, schreibt Herbert Knuppen von der Firma Neue Obstsorten und Beratung, der vom JKI die Lizenz für die Vermehrung und Vermarktung der neuen Sorte bekommen hat.
Neben der Schorfresistenz achteten die Züchtenden auch auf Optik, Geschmack und andere wichtige Vermarktungseigenschaften wie die Lagerfähigkeit. Denn ein Apfel, der nicht schmeckt oder schnell vergammelt, ist für die Kund:innen im Laden und damit auch für die Obsterzeuger:innen uninteressant. „Eine grün-gelbe Schale, saftig-knackiges Fruchtfleisch und ein süßer Geschmack mit intensivem Aroma, das sind die hervorstechenden Eigenschaften von Pia41“, schrieb das JKI dazu. Die Früchte seien sehr gut lagerfähig und hielten sich in gekühlten und gasdichten Lagern ohne Qualitätsverluste bis ins Frühjahr. „Das erhöht die Chance, dass sich resistente Sorten wie Pia41 auf dem Markt etablieren können“, erläuterte Henryk Flachowsky, der das Fachinstitut für Züchtungsforschung leitet.
Während die JKI-Züchter:innen ohne Gentechnik erfolgreich waren, kommen die Gentechniker:innen nicht voran. Bereits 2011 begannen Forschende der niederländischen Universität Wageningen Feldversuche mit Äpfeln der Sorte Gala, in die sie das Rvi6-Gen eingebaut hatten. Die Versuche liefen laut der gentechnikfreundlichen Plattform transgen.de bis 2021. Warum sie danach eingestellt und die Pflanzen nie vermarktet wurden, steht dort nicht, erscheint aber offensichtlich: Es wurden längst konventionell gezüchtete schorfresistente Sorten angebaut und der Pilz konnte das Rvi6-Gen schon überwinden. Deshalb sind bisher keine gentechnisch veränderten (gv) schorfresistenten Äpfel auf dem Markt.
Für den Apfelkundler (Pomologen) und Öko-Züchter Hans-Joachim Bannier ist das Einkreuzen (mit und ohne Gentechnik) von einzelnen Resistenzgenen grundsätzlich der falsche Weg. Zwar könne eine solche Sorte für eine gewisse Zeit Anbauvorteile mit sich bringen. „Doch die Strategie monogener Resistenzen beinhaltet immer das Risiko von Resistenzdurchbrüchen“, erklärt Bannier. Außerdem würden die modernen, generell sehr krankheitsanfälligen Apfelsorten durch das Einkreuzen einzelner Gene nicht insgesamt widerstandfähiger gegen Krankheiten. Sie benötigten weiterhin sehr viele Pestizide. Mit der Züchtungsinitiative apfel:gut e.V. verfolgt Bannier einen anderen Weg, um robuste Apfelsorten zu züchten: „Wir schauen uns in ungespritzten Obstbeständen die Vitalität von Apfelsorten an und verwenden als Elternsorten immer mindestens eine polygen gegen Krankheiten robuste Sorte. Wir schauen also nicht auf einzelne Gene, sondern einfach auf die Vitalität der gesamten Pflanze draußen im Feld und nicht nur im Labor.“ [lf]