Zwei Umweltorganisationen haben sich bei der Europäischen Ombudsstelle beschwert: Die Europäische Kommission habe die Folgenabschätzung zu ihrem Verordnungsvorschlag für neue gentechnische Verfahren (NGT) nicht wie vorgeschrieben „transparent, objektiv und ausgewogen“ erarbeitet. Die EU-Kommission hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Nun muss die Ombudsstelle entscheiden, ob sie sich damit zufriedengibt oder die Folgenabschätzung vertieft untersucht. Gründe dafür gäbe es.
Im Februar hatten Friends of the Earth Europe und Corporate Europe Observatory die Ombudsstelle angeschrieben, die daraufhin im April der EU-Kommission einen Brief mit sieben Fragen schickte. Unter anderem wollte sie wissen, wie die Kommission die Meinung von Interessengruppen und gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse unterscheidet oder ob in der Folgenabschätzung auch die Risiken von NGT-Pflanzen für die natürliche Umwelt bewertet werden. Als Quelle für solche Risiken verwies die Ombudsstelle auf eine Stellungnahme des deutschen Bundesamtes für Naturschutz (BfN). Gefragt hat sie auch, für wie verlässlich die EU-Kommission denn die Versprechungen der Unternehmen halte ihre künftigen NGT-Pflanzen betreffend. Schließlich sollte die Kommission noch mitteilen, ob sie im Hinblick auf die Folgenabschätzung ihres Regelungsentwurfs vollständig über alle Sitzungen und den Austausch zwischen der Kommission, den Mitgliedstaaten und den Beteiligten berichtet hat.
Inzwischen ist mit dem Verordnungsvorschlag seit Anfang Juli auch die Folgenabschätzung der EU-Kommission im Internet nachlesbar. Ebenso veröffentlicht hat die Kommission die Studie über die Konsultationen und Befragungen, die den wesentlichen Input für die Folgenabschätzung lieferten. Sie wurde im Auftrag der Kommission von den Unternehmen Technopolis und Arcadia sowie der Universität Wageningen erstellt. Es liegen nun also alle Unterlagen vor, anhand derer die Ombudsstelle untersuchen könnte, ob die Folgenabschätzung „transparent, objektiv und ausgewogen“ erarbeitet wurde.
Die Kommission antwortet der Ombudsstelle: „In der Folgenabschätzung werden die Ansichten der Interessengruppen immer klar als solche wiedergegeben“ und fährt fort: „Die Gemeinschaft der Forschenden (im Original „research/academic community“) wird als eine von dem Vorschlag direkt betroffene Interessengruppe behandelt“. NGOs hatten im Vorfeld kritisiert, dass Anliegen und Aussagen von Wissenschaftler:innen viel stärker gewichtet wurden als die anderer Interessengruppen wie Ökolandbau und gentechnikfreie Lebensmittelwirtschaft.
Was die nicht berücksichtigten Argumente des BfN und anderer Organisationen angeht, lassen sich die umfangreichen Ausführungen der Kommission an die Ombudsstelle so zusammenfassen, wie es in der Folgenabschätzung steht: „Die EFSA hat die von diesen Organisationen im Rahmen der öffentlichen Konsultationen vorgelegte wissenschaftliche Literatur bewertet und ist zu dem Schluss gekommen, dass sie keine neuen Erkenntnisse liefern, die die Schlussfolgerungen der wissenschaftlichen Gutachten der EFSA in Frage stellen.“ Offenbar lässt es die EU- Kommission es also dabei bewenden, dass die EFSA selbst feststellt, dass die Kritik an ihr nicht zutrifft. Dabei gehören auch hier viele Expert:innen dieser Behörde zur Interessengruppe der Forschenden.
Zur Frage nach den behaupteten Vorteilen der NGT-Pflanzen verweist die Kommission auf die Studie ihrer Forschungsstelle JRC, die 2021 die Pipelines der Unternehmen und Forschungseinrichtungen untersucht hatte. Diese allerdings kam zu Ergebnissen, die von der Kommission nicht weiter erwähnt wurden. So ergab die JCR-Arbeit etwa, dass in den nächsten fünf Jahren keine NGT-Pflanzen mit Trockentoleranz marktreif sein würden.
Die Transparenz beim Austausch mit Beteiligten endet für die EU-Kommission offenbar bei den Lobbyisten: Treffen mit Interessengruppen gebe sie nicht auf ihrer Webseite bekannt, schrieb die Kommission. Doch könnten Interessierte die Ergebnisse solcher Sitzungen mit Verweis auf die Transparenzverordnung (EU 1049/2001) abfragen. Das hatte Corporate Europe Observatory 2021 bereits einmal getan. Die ausgewerteten Mails zwischen einzelnen EU-Behörden und Lobbyverbänden zeigten, „dass seit dem EuGH-Urteil im Juli 2018 eine sehr breite Palette von Agrarkonzernen Lobbyarbeit bei der Kommission betrieben hat“, schrieb CEO damals. [lf]