Die Nachfrage nach Lebensmitteln ohne Gentechnik boomt. Foto: VLOG

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Handel kritisiert übereilte Gentechnik-Verordnung

Die einen drücken auf die Tube, die anderen bremsen: Bereits am 11. Dezember wollen eine Reihe von EU-Agrarminister:innen sowie der Agrarausschuss des Europäischen Parlaments über die geplante Verordnung zur Regelung neuer gentechnischer Verfahren abstimmen. Andere kritisieren das Verfahren angesichts zahlreicher ungelöster Fragen als übereilt und undemokratisch - auch in der Wirtschaft. Mehrere große Handelsunternehmen und -verbände warnen vor den gravierenden Folgen der Pläne für Lebensmittelwirtschaft und -preise.

Die geplante unkontrollierte Freigabe des Großteils neuer gentechnischer Verfahren (NGT) und der damit hergestellten Lebensmittel gefährdet die Stabilität der Lebensmittelpreise und wird die Inflation erneut anheizen. Diese Warnung ist die Kernbotschaft eines offenen Briefes, den sieben Einzelhandelskonzerne und ein Handelsverband aus Deutschland und Österreich diese Woche an EU-Kommission und Europaparlament geschickt haben. Nach dem Verordnungsvorschlag der EU-Kommission müsste allein die gentechnikfreie und die biologische Lebensmittelwirtschaft die Kosten tragen, um ihre Produktionsketten gentechnikfrei zu halten, kritisieren die Supermarktketten von Rewe über Denn’s BioMarkt bis Spar (Österreich). Das widerspreche dem Verursacherprinzip und würde über die gesamte Wertschöpfungskette erhebliche finanzielle Mittel erfordern. Diese Kosten müssten weitergegeben werden und würden mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Preissteigerungen führen, warnen die Handelsunternehmen. „Eine derartige zusätzliche finanzielle Belastung sollte – gerade in Zeiten signifikant hoher Inflation – den Verbraucherinnen und Verbrauchern nicht aufgebürdet werden“, schreiben sie in ihrem Brief.

Sie mahnen EU-Kommission und Parlamentarier auch, „das Potential von Patenten als Preistreiber in der Lebensmittelproduktion sehr ernst zu nehmen“. Deshalb sollte die EU-Kommission schon vor Verabschiedung des NGT-Verordnungsvorschlages prüfen, „welche Auswirkungen Patente auf NGT-Pflanzen und -Sorten auf den Saatgutmarkt hätten – bis hin zur Verwendung in der gesamten Wertschöpfungskette“. Eine Analyse im Nachhinein, „wie sie durch die Europäische Kommission für das Jahr 2026 in Aussicht gestellt wurde, wird aus unserer Sicht dieser Herausforderung jedenfalls nicht gerecht“, kritisieren die Unternehmen. Ferner fordern sie, die Wahlfreiheit für Verbraucherinnen und Verbraucher zu wahren und die Bio-Landwirtschaft weiter zu fördern, statt sie zu bedrohen.

Bedroht sieht sich die Biobranche vor allem von der Europäischen Volkspartei (EVP) der auch CDU, CSU und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angehören. Die EVP will im Europaparlament den Verordnungsvorschlag der EU-Kommission noch erweitern und alle NGT-Pflanzen auch für den Bio-Landbau zulassen. Die Kommission hatte in ihrem Vorschlag eigens aufgenommen, dass die neue Gentechnik für den Biolandbau ebenso verboten bleiben soll wie die alte Gentechnik. Sie respektierte damit, dass die europäische Bio-Bewegung sich mit überwältigender Mehrheit gegen NGT-Pflanzen ausgesprochen hatte. „Es wäre schockierend, wenn die Europaabgeordneten beschließen würden, das Verbot von NGTs in der ökologischen Produktion zu streichen“, sagte Jan Plagge, Präsident des Bio-Dachverband Ifoam Organics Europe. In einer Presseerklärung forderte er die EU-Parlamentarier und die Mitgliedstaaten gestern auf, die Entscheidung der Bio-Bewegung zu respektieren.

Auch Plagge warnte davor, NGTs von der im Gentechnikrecht verankerten Risikobewertung und Rückverfolgbarkeit auszunehmen. „Dies hätte erhebliche Folgen für die Lebensmittelproduktion in Europa, die weit über den Bio-Markt hinausgehen“, so der Verbandschef. Deshalb sollten diese Diskussionen nicht überstürzt werden, weder im Europäischen Parlament noch unter den Mitgliedstaaten im Rat. Doch noch sieht die Planung so aus: Der Agrarministerrat soll auf seiner Sitzung am 10. und 11. Dezember über seine Position abstimmen (im Verfahrensdeutsch: allgemeine Ausrichtung). Im Vorfeld sollen die ständigen Vertreter der EU-Mitgliedstaaten, deren Positionen zuletzt noch weit auseinanderlagen, kommende Woche weiter an Kompromisslinien arbeiten und sondieren, ob die EU-Agrarminister:innen sich mehrheitlich auf einen Verordnungsvorschlag verständigen können. Der Agrarausschuss des Europäischen Parlaments (EP) will ebenfalls am 11. Dezember eine Stellungnahme verabschieden und damit auch über den Vorschlag der EVP abstimmen, Bio zwangsweise zu gentechnifizieren. Der Umweltausschuss des EP will seinen Bericht am 11. Januar beschließen. Eine Woche später ist dann die Abstimmung im Plenum des Parlaments vorgesehen. [lf/vef]

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