Das US-Agrarministerium hat den gentechnisch veränderten Weizen HB4 für den kommerziellen Anbau freigegeben. In Großbritannien hat das John Innes Centre seine ersten Feldversuche mit Crispr-Weizen abgeerntet. Und in der Schweiz wollen Wissenschaftler:innen des staatlichen Agrarforschungszentrums Agroscope im Herbst einen selbst entwickelten Gentech-Weizen versuchsweise anbauen. Der Streit um mögliche Interessenkonflikte der Projektbeteiligten und verdeckte staatliche Subventionen für ein ausgegründetes privates Unternehmen erreichte vergangene Woche das Schweizer Parlament.
Der Gentech-Weizen HB4 der argentinischen Firma Bioceres Crop Solution ist noch ein Produkt der klassischen Gentechnik und enthält ein Gen der Sonnenblume. Es soll den Weizen tolerant gegen Dürre machen. Nach Firmenangaben soll HB4 bei Wassermangel 20 Prozent höhere Erträge als herkömmlicher Weizen liefern. Zusätzlich ist HB4 resistent gegen das Herbizid Glufosinat, das in der EU wegen seiner Giftigkeit verboten ist. Um den HB4-Weizen zu vermarkten, hatten die Argentinier schon 2013 mit dem französischen Pflanzenzüchter Florimond Desprez das Unternehmen Trigall Genetics gegründet.
Bisher erlauben es Argentinien, Brasilien und Paraguay, den Weizen kommerziell anzubauen. Nun kommen die USA dazu. Deren Gentechnikbehörde APHIS hat entschieden, dass der Weizen kein Risiko für andere Pflanzen darstellt und deshalb ohne weiteres Verfahren angebaut werden darf. Die Zulassung von HB4 als Lebens- und Futtermittel hatte die dafür zuständige US-Behörde FDA schon 2022 erteilt. Bioceres schätzt, dass in den USA rund vier Millionen Hektar als Anbaufläche für HB4-Weizen in Frage kommen. Man arbeite mit dem Weizenforschungszentrum Colorado Wheat Research Foundation zusammen, um lokal angepasste HB4-Hartweizensorten zu entwickeln, teilte das Unternehmen mit. Weitere Kooperationen seien geplant.
Das US-Landwirtschaftsportal Agdaily bezweifelt, dass HB4 in den USA ein Erfolg wird. Wichtige internationale Abnehmer von US-Weizen, darunter Mexiko, die Philippinen und Japan, hätten HB4-Weizen bisher nicht als Lebensmittel zugelassen. Das gebe Anlass zur Sorge über die Marktakzeptanz, schrieb Agdaily und erinnerte an eine Situation von vor zwei Jahrzehnten. Damals hatte Monsanto die Entwicklung eines glyphosatresistenten Weizens eingestellt, nachdem internationale Käufer mit Boykott gedroht hatten. Als Lebensmittel zugelassen ist HB4-Weizen nach Angaben von Bioceres derzeit in Australien, Neuseeland, Südafrika, Nigeria, Thailand, Indonesien, Kolumbien und Chile.
Während der klassische Gentech-Weizen HB4 sich, zumindest regulatorisch, langsam ausbreitet, verändern in mehreren Ländern Forschende Weizen mit neuen gentechnischen Verfahren (NGT). Das britische John Innes Centre hat einen NGT-Weizen mit größeren Körnern entwickelt und in Feldversuchen angebaut. Die jetzt abgeernteten Körner werden nächstes Jahr als Saatgut vermehrt und sollen dann 2026 von Farmern in großen Praxisversuchen angebaut und nach der Ernte für Testzwecke zu Lebensmitteln verarbeitet werden. Gleiches soll mit einem Weizen mit verbesserten Backeigenschaften passieren, den Rothamsted Research derzeit testet und vermehrt. Probity nennt sich dieses vom britischen Landwirtschaftsministerium geförderte Projekt, das möglichst schnell NGT-Pflanzen auf den Markt bringen will.
Die britischen Forschenden nutzten für ihren NGT-Weizen Crispr/Cas als Werkzeug. Wissenschaftler der Eidgenössischen Forschungsanstalt Agroscope haben ein neues Mutageneseverfahren namens TEgenesis entwickelt. Es mobilisiert mit Hilfe von zwei Chemikalien in der Pflanze vorkommende sogenannte springende Gene (Transposons) und soll dadurch die Anpassung der Pflanze an Stressbedingungen beschleunigen. Einen entsprechend mit TEgenesis behandelten Winterweizen will Agroscope ab Herbst auf seinem Versuchsgelände anbauen und auf krankheitsresistente Linien selektieren. Noch steht dafür die Genehmigung des Schweizer Bundesamtes für Umwelt aus. Die Schweizer Allianz Gentechfrei kritisierte in ihrer Stellungnahme neben fachlichen Mängeln des Antrags auch mögliche Interessenkonflikte, da der Versuchsleiter die patentierte Methode mit erfunden und eine Firma für deren exklusive Vermarktung mitgegründet habe. 16 Abgeordnete des Schweizer Parlaments reichten vergangene Woche eine Anfrage dazu beim Nationalrat ein.
Bis diese Crispr- oder TEgenesis-Weizen tatsächlich auf den Markt kommen, wird es noch einige Jahre dauern. Chinesische Forschende sind da schon weiter. Sie wollen Weizen mit dem älteren Talen-Verfahren resistent gegen echten Mehltau gemacht haben. Anschließend übertrugen sie die geänderten Resistenz-Gene mit Hilfe von Crispr/Cas in Winterweizen-Elitesorten. Für diese bekamen sie im Mai dieses Jahres vom chinesischen Landwirtschaftsministerium ein Sicherheitszertifikat. Für den kommerziellen Anbau brauchen die beteiligten Unternehmen nur noch eine Sortenregistrierung für ihr Saatgut und eine Lizenz für die Saatguterzeugung. [lf/vef]