Dossier

Gentechnik-Risikobewertung in der EU

Die EFSA und ihre Probleme

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA - European Food Safety Authority) ist zuständig für die Risikobewertung von Lebens- und Futtermitteln in der Europäischen Union. Nach einer Reihe von Lebensmittelskandalen in den 1990er Jahren wurde die EFSA 2002 ins Leben gerufen und dient als "wissenschaftliche Beratungs- und Kommunikationsstelle über Risiken im Zusammenhang mit der Lebensmittelkette". Innerhalb der EFSA gibt es verschiedene Gremien. Eines davon arbeitet zu gentechnisch veränderten Organismen (GVO), derzeit hat das "Panel" 18 Mitglieder. Geht in der EU ein Antrag auf Zulassung einer gentechnisch veränderten Pflanze ein, muss die EFSA dazu eine Empfehlung abgeben, auf dessen Grundlage die EU-Kommission sowie die Mitgliedsstaaten entscheiden sollen.

„Derzeit kann Sicherheitsforschung – selbst bei zugelassenen GVO – nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Industrie stattfinden. In der Praxis ist damit eine unabhängige Sicherheitsforschung kaum möglich.“  (Bundesamt für Naturschutz, internes Papier von Februar 2014)

Die Arbeit der EFSA - Was läuft falsch?

Seit Jahren wird die Arbeit der EFSA kritisiert, denn:

  • als Grundlage für die Zulassung neuer Gentech-Pflanzen werden meistens nur unzureichende Studien der Gentechnik-Unternehmen herangezogen, Daten aus unternehmensunabhängiger Sicherheitsforschung fehlen häufig.
  • Wissenschaftlern, die für die EFSA arbeiten, wird vorgeworfen, nicht unabhängig zu sein, weil sie entweder an nationalen Zulassungsverfahren beteiligt oder mit Gentechnik-Konzernen verstrickt sind.

Über Interessenkonflikte in der Behörde wird immer wieder berichtet. So wechselte eine leitende EFSA-Angestellte innerhalb kürzester Zeit zu einer Lobbyorganisation der Lebensmittelindustrie, die auch Gentech-Konzerne vertritt: das International Life Sciences Institute (ILSI). Auch vielen Experten des Gentechnik-Gremiums wird die Nähe zu ILSI vorgeworfen.

EFSA und ILSI: Weiter geht’s (10.09.15)

EU-Rechnungshof kritisiert Interessenkonflikte (Bericht von Oktober 2012)
Infodienst: Weiterhin keine Unabhängigkeit von der Gentechnik-Industrie (25.06.12)
Testbiotech: Leitende EFSA-Angestellte wechselt zur Industrie (14.01.10)


Darüber hinaus wird kritisiert, die EFSA messe bei ihren Bewertungen mit zweierlei Maß: Laxe Industrie-Studien würden durchgewunken, während kritische Untersuchungen ignoriert oder zerpflückt würden:

Infodienst: Die Doppelstandards der Lebensmittelbehörde (30.10.12)
Testbiotech: Doppelstandards bei der EFSA (30.10.12)

Zulassungsverfahren

EU-Kommission im Zweifel für die Zulassung

Außerdem gibt es herbe Kritik am Zulassungsprozess. Zwar entscheidet nicht die EFSA selbst über die Zulassung von gentechnisch veränderten Organismen, sondern die EU-Kommission sowie die EU-Mitgliedsstaaten. Diese haben sich aber noch nie gegen eine Empfehlung der EFSA entschieden. In der Regel kam es zu keiner Einigung zwischen den Mitgliedsstaaten, was dazu führte, dass die Kommission im Sinne der EFSA, d.h. in der Regel für die Zulassung der Gentech-Pflanzen entschied. Die Gegenstimmen der einiger EU-Länder spielen dabei keine Rolle mehr.

Genetic modification is a blockbuster technology with a broad ability to mix and match genes; its use or misuse has profound implications for global ecology and the food supply. It is in no sense ‘substantially equivalent’ to plant breeding.“  (Colin Macilwain, Nature 02.09.2015)

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Neue EFSA-Richtlinie: Rückblick

Vorschläge der EU-Kommission

Im April 2006 macht die EU-Kommission Vorschläge, wie Entscheidungen über gentechnisch veränderte Oranismen wissenschaftlich kohärenter und transparenter gemacht werden können.
EU-Kommission: Verbesserungsvorschläge zur Umsetzung des europäischen Rechtsrahmens, 12.04.06

EU-Ministerrat beschließt Überarbeitung der EFSA-Richtlinien

Im Dezember 2008 haben die damaligen Minister der 27 EU-Mitgliedstaaten beschlossen, dass die bisher unverbindlichen Richtlinien der Europäischen Lebensmittelbehörde (EFSA) überarbeitet und deutlich verschärft werden müssen. Langzeiteffekte von gentechnisch veränderte Organismen auf Umwelt und Gesundheit sollen besser berücksichtigt werden. Ebenfalls positiv ist, dass grundsätzlich anerkannt wurde, dass die ökologisch unterschiedlichen Regionen innerhalb der EU gesondert berücksichtigt werden sollen. Sozioökonomische Kriterien spielen jedoch auch in Zukunft keine Rolle. Auch auf die rechtlich Verbindliche Einrichtung gentechnikfreier Regionen konnte sich nicht geeinigt werden.
Schlussfolgerung des Rates zu GVO, 05.12.08

Bericht der EU-Kommission über die sozioökonomischen Auswirkungen des GVO-Anbaus, 15.04.11

Neue EFSA-Leitlinien zur Prüfung der Umweltverträglichkeit von Gentechnik-Pflanzen

November 2011 - Die EFSA hat ihre Leitlinien zur Prüfung der Umweltverträglichkeit von gentechnisch veränderten Pflanzen überarbeitet. Die Organisation Testbiotech hat sich die Leitlinien genauer angeschaut und kritisiert sie in einer Stellungnahme als ungeeignet für die Bewertung der Risiken von Gentechnik-Pflanzen: Die grundsätzlich vergleichende Bewertung mit konventionellen Pflanzen sei ein Konzept, das viel zu kurz greife, so Testbiotech. Die Risikobewertung von songenannten Stacked Events ist nach wie vor ungeklärt. Einige Bereiche des Nahrungsnetzes, wie zum Beispiel die Auswirkungen auf Wildtiere, sind komplett unberücksichtigt.

EFSA: Guidance on the environmental risk assessment of genetically modified plants, Oktober 2010
Testbiotech: Analysis of EFSA Guidance on the environmental risk assessment of genetically modified plants, Dezember 2010

Das Gen-ethisch Netzwerk hat sich an dem Prozess beteiligt und folgende Stellungnahme veröffentlicht:
Gen-ethisches Netzwerk: Kommentar EFSA-Konsultation zur Risikoabschätzung (Oktober 2008)

Antrag der Grünen im Bundestag zur Verbesserung des EU-Zulassungsverfahrens (Mai 2008):
Drucksache: 16/9314

Aktualisierte Leitlinien für Antragsteller im Dezember 2013

EFSA-Leitlinien für Anträge auf Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen nach Verordnung EC 1829/2003. 
Leitlinien

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