Heute wurden dem Europa-Parlament in Straßburg 70.000 Unterschriften gegen Patente auf Pflanzen und Tiere übergeben. Parlamentspräsident Martin Schulz (SPE) nahm die Petition in Empfang. Mit ihr wollen Organisationen den Druck auf die Politik erhöhen, bei der Ausgestaltung des neuen Patentrechts den Griff der Konzerne auf Saatgut und Züchtung zu lockern. Rückendeckung für dieses Anliegen kommt auch von der Evangelischen Kirche in Deutschland: Als erste Amtskirche äußerte sie sich kürzlich sehr kritisch gegenüber den Biopatenten.
Die Unterschriften hat das Bündnis „Keine Patente auf Saatgut“ gesammelt. Seine Mitglieder, verschiedene Organisationen aus Umwelt-,Verbraucherschutz und Entwicklungshilfe, wollen sich damit in die anstehende Debatte über das neue Europäische Einheitspatent einschalten. Sie befürchten, dass durch die Neuregelung die Tendenz zur Monopolisierung von Saatgut und Züchtungsverfahren weiter verstärkt werden könnte.
Im EU-Parlament dürfte die Unterschriftenaktion durchaus gut ankommen sein. Dort wurde erst im Mai eine Resolution zum Thema verabschiedet. Darin fordern die Abgeordneten vom Europäischen Patentamt einen Stopp der Patentvergabe auf die Züchtung von Pflanzen und Tieren. Das Patentamt ist daran allerdings nicht gebunden. Umso wichtiger ist es, dass das neue Einheitspatent gleich entsprechend angepasst wird. Die EU-Kommission fertigt dazu momentan einen Bericht an, auf dessen Grundlage weitere Diskussionen stattfinden werden.
Martin Häusling, Europaabgeordneter der Grünen, begrüßte die Petition: „Die heute an Martin Schulz überreichten 70.000 gesammelten Unterschriften und die von mehreren hundert Organisationen unterzeichnete Petition gegen Biopatente stärkt uns Parlamentariern den Rücken, weiter Druck auf das europäische Patentamt zu machen.“ In einer Pressemitteilung übte er außerdem Kritik an der derzeitigen Situation, in der einige multinationale Unternehmen weite Teile des Saatgutmarktes kontrollieren und ihren Einfluss noch auszudehnen suchen. „Mit Patenten auf Pflanzen und Tiere versuchen große Konzerne sich im Zuchtbereich Eigentumsansprüche auf Produkte zu sichern. Ergebnis ist: Nur noch wenige Konzerne haben immer mehr ausschließlichen Zugriff auf den weltweiten Genpool. Dieser Prozess muss beendet werden. Tiere und Pflanzen sind keine Produkte wie Waschmaschinen!“
Einen Erfolg konnten die Patentgegner im August schon verbuchen. Das Patentamt zog nämlich ein vier Jahre altes Patent auf ein konventionelles Zuchtverfahren von Tieren zurück, weil es gegen EU-Recht verstoßen hatte.
Für neuen Schub in der Debatte sorgt auch eine kürzlich veröffentlichte Studie der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Als erste Amtskirche nimmt diese damit eine kritische Haltung gegenüber Patenten auf Pflanzen und Tiere ein. Aus Sicht der EKD sollten solche Patente - wenn überhaupt - "nur unter Einhaltung strengster Kriterien" erteilt werden. Besser sei jedoch die Anwendung des Sortenschutzrechts, das die Interessen aus Landwirtschaft, Züchtung und Forschung ausbalancieren könne. So kommt die Studie zu folgendem Schluss: „Das klassische Sortenschutzrecht weist im Vergleich zum Patentrecht ein höheres Potenzial auf, den Interessen von Kleinbauern, der ländlichen Entwicklung und dem Erhalt der Agrobiodiversität zu dienen. Hierdurch wird der Schutz traditionellen Wissens gewährleistet und die Sicherung der Ernährung verbessert."
Der Vorsitzende des Rates der EKD, Nikolaus Schneider, kritisierte die momentane Patentvergabe als ungerecht. Es gehe auch um „weitreichende ethisch-moralische Entscheidungen." Für die meisten Menschen brächten die Patente keine Vorteile: „Die Ernährungssicherheit für Menschen wird nicht gefördert, sondern noch stärker gefährdet und eingeschränkt."