Hähnchenfleisch mit 'Ohne Gentechnik'-Siegel (Foto: Edeka)

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Macht Brexit Großbritannien zum Einfallstor für Gentechnik?

Großbritanniens Regierungen standen der Agro-Gentechnik immer offener gegenüber als viele andere europäische Staaten. Gentechnik-Befürworter sehen jetzt im Brexit die Chance, das EU-Gentechnikrecht verschwinden zu lassen. Doch so einfach ist das nicht.

In welcher Form der Brexit stattfinden soll, darüber wird derzeit noch heftig gestritten. Entsprechend unterschiedlich sind die Szenarien in Bezug auf das Gentechnikrecht. Der Vertragsentwurf für den Brexit sieht eine Übergangszeit bis Ende 2020 vor, in der alles erst einmal so bleibt, wie es ist. Großbritannien wird bis dahin in einem einheitlichen Zollverbund mit der Europäischen Union bleiben. Weil dadurch Waren aus Großbritannien unkontrolliert in die EU kommen können, muss Großbritannien auch Umweltstandards wie das EU-Gentechnikrecht einhalten – und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, schreibt die Wochenzeitung „Die Zeit“. In der Übergangszeit sollen Großbritannien und die EU ein umfassendes Handelsabkommen abschließen. Weil das vermutlich nicht bis Ende 2020 zu schaffen ist, kann die Übergangsfrist auch verlängert werden.

Bei einem harten Brexit, im März 2019 oder später, wäre Großbritannien nicht mehr an das EU-Gentechnikrecht gebunden. Es könnte Anbau und Importe im eigenen Land neu regeln, dürfte allerdings in die EU nur gentechnisch veränderte Produkte importieren, die dort zugelassen sind – so wie das auch für die USA oder Brasilien gilt. Allerdings hat das britische Umwelt- und Landwirtschaftsministerium (Defra) im August 2018 erklärt, dass ein harter Brexit erst einmal wenig ändern werde. Denn die britischen Gesetze, mit denen das EU-Recht in früheren Jahren umgesetzt worden sei, gälten weiterhin und würden nur dem neuen Kontext entsprechend angepasst. Die Genehmigungen für Anbauversuche würden wie bisher von britischen Behörden erteilt. Zulassungen für die kommerzielle Vermarktung von Gentech-Saatgut würden von der EU auf britische Behörden übergehen, wobei die gleichen Prozesse zur Risikoabschätzung angewandt würden. Man diskutiere gerade, ob die Kompetenz für solche Zulassungen bei der Zentralregierung liegen solle oder an England, Schottland, Wales und Nordirland abgetreten werde, schrieb Defra. Außer England hatten alle Landesteile nach den geltenden EU-Regeln für Gentechnik-Anbauverbote optiert.

Interessengruppen versuchen derzeit, die britische Regierung dazu zu bringen, sich klarer vom EU-Gentechnikrecht zu distanzieren. Das Portal Foodnavigator berichtete von einem offenen Brief, den 33 Gentechnik-Forscher an Umweltminister Michael Gove geschrieben hatten. Sie forderten darin, neue gentechnische Züchtungsverfahren wie CRISPR/Cas von einer Zulassungspflicht auszunehmen. Man teile diese Position, aber der Europäische Gerichtshof habe anders entschieden und dieses Urteil binde derzeit die Regierung, zitiert Foodnavigator einen Regierungssprecher. Der Lobbyverband Agricultural Biotechnology Council legte dagegen kürzlich einen Bericht vor, der vor wirtschaftlichem Rückschritt warnt. Die darin versammelten großen Unternehmen der Agrarchemie forderten die britische Regierung auf, das EU-Gentechnikrecht abzuschaffen.

Unterdessen sorgen sich Nicht-Regierungsorganisationen, der Brexit könnte dazu führen, dass nicht nur gentechnische, sondern auch andere lebensmittelrechtliche Vorschriften zugunsten der Industrie aufgeweicht werden. So wies GeneWatch UK die Regierung auf die Bedeutung des EU-Gentechnikrechts hin und warnte davor, dass Änderungen der Kennzeichnungsregeln zu massivem Vertrauensverlust bei den Verbrauchern führen würde. Der Prüfungsausschuss des britischen Parlaments kritisierte in einem Bericht, dass das Ministerium zu wenig auf die Vollzugsprobleme vorbereitet sei, die mit einem harten Brexit auf das Land zukämen. Es fehle für die Überwachung von Lebensmittelimporten an ausgebildeten Mitarbeitern ebenso wie an Übergangsvorschriften oder IT-Systemen. [lf]

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