In der EU steht eine Reform der Risikoprüfung von gentechnisch veränderten Pflanzen an. Nach der Dauerkritik an der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA hat selbst diese zugegeben, dass sich an dem bisherigen Verfahren etwas ändern müsse. Demnächst sollen die Mitgliedsstaaten über die neuen Regeln abstimmen. Doch diese könnten sich als keineswegs besser erweisen, befürchtet die französische Organisation Inf'OGM.
Nach Ansicht des Inf'OGM-Redakteurs Eric Meunier enthält der jetzige Änderungsvorschlag der EU-Kommission zwar einige Verbesserungen. Diese würden durch andere Klauseln jedoch ausgehebelt und „nutzlos“ gemacht. So würden beispielsweise erstmals Fütterungsstudien an Nagetieren verlangt, um Gesundheitsgefahren der Gentechnik-Pflanzen zu erkennen. Dies ist auch eine langjährige Forderung unabhängiger Experten. Doch auf den zweiten Blick zeigt sich: Die Hersteller der Pflanzen, Agrochemieunternehmen wie Monsanto, Bayer oder BASF, können auch auf diese Versuche verzichten – dafür müssten sie nur feststellen, dass ihre transgenen Pflanzen sich nicht von den Konventionellen unterscheiden. Das tun sie aber schon jetzt regelmäßig in ihren, stets erfolgreichen, Anträgen – mit dem Segen der EFSA. Für Inf'OGM bedeutet das eine „ernsthafte Einschränkung“ des künftigen Prüfverfahrens.
Die besonders umstrittenen Gentech-Pflanzen mit mehreren Eigenschaften, sogenannten „stacked events“, bekämen außerdem eine Sonderstellung, kritisiert die französische Organisation. Eigentlich müssten solche Organismen eingehend geprüft werden, da sie gegen verschiedene Ackergifte resistent sind und zudem noch eigene Insektizide freisetzen. Welche Auswirkungen diese Kombination auf die biologische Vielfalt und die Gesundheit von Mensch und Tieren hat, weiß man nicht. Aber die EU-Kommission will ihnen offenbar ein Schlupfloch schaffen. Eine Überprüfung der gesamten Pflanze müsse nur stattfinden, wenn dies nach Tests der einzelnen Eigenschaften „angebracht“ sei. Inf'OGM sieht in dieser Formulierung jedoch ein großes Problem. Denn es ist ja gerade die unbekannte Mischung - manchmal als „Giftcocktail“ bezeichnet - die Beobachtern Sorge macht.
Und selbst wenn in Ausnahmefällen eine Fütterungsstudie herausspringen sollte, werde dies nur vorübergehend möglich sein, glaubt Meunier. Denn die prinzipielle - wenn auch durch oben genannte Ausnahmen ausgehebelte - Pflicht, solche Untersuchungen durchzuführen, gelte nur „bis auf weiteres“. Die Kommission wartet nämlich auf Ergebnisse eines von ihr finanzierten Forschungsprojekts namens GRACE (GMO Risk Assessment and Communication of Evidence). Dieses steht jedoch in der Kritik, weil es von einem ausgesprochenen Befürworter der Agro-Gentechnik geleitet wird, dem Biochemiker Joachim Schiemann vom Julius-Kühn-Institut. GRACE soll seine Resultate Ende 2015 vorlegen. Da die neuen Regeln für die Risikoprüfung frühestens Ende 2013 oder Anfang 2014 in Kraft treten könnten, fielen die Fütterungsstudien möglicherweise schon nach eineinhalb Jahren wieder weg, befürchtet Inf'OGM.
Für die Gentechnik-Pflanzen, die sich bereits im Zulassungsverfahren befinden, wird es ohnehin keine Änderung geben. Über diese solle nach dem Willen der EU-Kommission „ohne unnötige Verzögerungen“ befunden werden, so die französische NGO. Dies betreffe über 50 transgene Pflanzen, für die Anträge auf Anbau oder auf Import und Verarbeitung gestellt worden seien. In Frankreich sei deshalb ein offener Brief an die französische Regierung geschickt worden. Diese müsse sich, zusammen mit anderen EU-Mitgliedsstaaten, bei den kommenden Beratungen und Abstimmungen dafür einsetzen, dass sich wirklich etwas an der Gentechnik-Risikoprüfung ändert – anstatt sie weiter zu verwässern. [dh]