Abgeordnete und Senatoren des US-Kongresses haben vergangene Woche die Finanzierung von Behörden für die kommenden sechs Monate sichergestellt. Was viele Politiker offenbar nicht wussten: in dem Resolutionsentwurf verbarg sich eine Zusatzklausel, die die gerichtliche Kontrolle über den Gentechnik-Anbau aushebelt. Ein „beispielloser Angriff“ auf die Justiz, klagt das Center for Food Safety. Unklar ist, wer den Paragraphen überhaupt eingebracht hat.
Wenn der Haushalt der Vereinigten Staaten noch nicht gesetzlich festgezurrt ist, das neue Fiskaljahr aber bereits begonnen hat, müssen sich Demokraten und Republikaner in den beiden Parlamentskammern zusammenraufen. Mit einer „continuing resolution“ wird das nächste halbe Jahr überbrückt, die staatlichen Institutionen können ihre Arbeit fortführen. Doch im zuständigen Senatsausschuss wurde nun die besagte Klausel hinzugefügt, Umweltorganisationen bezeichnen sie als „biotech rider“. Eine Debatte darüber gab es im Parlament offenbar nicht.
Die Zusatzklausel regelt, was passiert, wenn ein Gericht eine bereits vermarktete Gentech-Pflanze nachträglich verbietet – wie es bei Zuckerrüben und Alfalfa bereits vorgekommen ist. In einem solchen Fall kann das Agrarministerium künftig sofort eine Sondergenehmigung gewähren, die bis zur endgültigen Klärung gültig ist. Die Landwirte müssen die transgenen Pflanzen also nicht entfernen – obwohl ein Richter die ursprüngliche Erlaubnis kassiert hätte. Umstritten ist noch, ob das Ministerium die Sondergenehmigung lediglich aussprechen kann – oder es sogar muss. Der Wortlaut des Paragraphen lasse Letzteres vermuten, meinte Andrew Kimbrell vom Center for Food Safety gegenüber Capital Press. Seine Gruppe hält das für eine Untergrabung der in der Verfassung garantierten Gewaltenteilung.
Anders sieht das die Biotechnology Industry Organization (BIO), eine Lobbygruppierung der Gentechnik-Unternehmen. Die Zusatzklausel sei in Übereinstimmung mit einem Urteil des Obersten Gerichtshofs und zum Schutz der Landwirte da, so Sprecherin Karen Batra in der gleichen Zeitung.
Die Neuregelung gilt nun bis Ende September. Dann wird wieder über den Haushalt abgestimmt. Beide Seiten zeigten sich diesbezüglich optimistisch. Während BIO hofft, die Gentechnik-Klausel auch im künftigen Gesetz verankern zu können, will das Center for Food Safety alles tun, keine weiteren „Hinterzimmer-Deals“ zuzulassen. Auf ihrer Website kündigte die Organisation eine große Kampagne gegen die Begünstigung der Agrochemie-Industrie an.
Die Organisation MapLight, die Wahlkampfspenden kritisch unter die Lupe nimmt, resümmierte derweil, die Industrie ernte mit der Sonderregelung lediglich, was sie gesät habe. Seit 2010 hätten die Kongressabgeordneten aus den Kassen der Lebensmittel- und Gentechnikindustrie fast 7,5 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt bekommen. Monsanto allein steuerte 540.000 Dollar bei. [dh]