Der Schutz „geistigen Eigentums“ führt bei der Nahrung zu besonderen Problemen. So könne es traditionelles Wissen und Saatgut gefährden, wenn Entwicklungsländer internationalen Abkommen zum Sortenschutz beitreten, warnt die Schweizer Organisation „Erklärung von Bern“ (EvB). Besonders Kleinbauern seien davon betroffen.
Denn die Regierungen verpflichten sich, beispielsweise im Rahmen des Internationalen Verbandes zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV), kommerzielles Saatgut von Agrarkonzernen wie Monsanto, Syngenta und Bayer zu schützen. Den Unternehmen ist es ein Dorn im Auge, dass Landwirte im globalen Süden ihr Saatgut selbst gewinnen, vermehren und tauschen. Daran lässt sich für die Profis nichts verdienen. Deshalb drängen sie die Politik, den freien Austausch zu unterbinden.
Doch die „Zwangsangleichung“ kann für viele Kleinbauern existenzgefährdend sein, befindet die EvB nach einer Analyse der UPOV-Saatgutregeln. „Die Verschärfung der Sortenschutzgesetze gefährdet das Menschenrecht auf Nahrung“, heißt es. Dennoch würden Entwicklungsländer „häufig mittels Handelsverträgen zum UPOV-Beitritt gedrängt.“
UPOV schränkt vor allem das angestammte Recht der Landwirte ein, Saatgut selbst zu gewinnen, mit anderen auszutauschen oder zu verkaufen. Dadurch könne es, so die EvB, zum Verlust von Know-How kommen – das auch angesichts klimatischer Veränderungen dringend nötig ist.
Im globalen Süden ist der Saatgutmarkt oft informell geprägt. Beispiel Philippinen: im Dorf Lamlifew haben die Experten aus der Schweiz mit 62 Landwirten gesprochen, die Mais anbauen. Ihren eigenen Bedarf decken fast alle mit Tiniguib, einer traditionellen Sorte – das Saatgut gewinnen sie selbst, teilweise erhalten sie es von Verwandten und Freunden. Gleichzeitig bauen sie Gentech-Mais von Monsanto an, der gegen das Spritzmittel „Roundup“ resistent ist. Die Ernte verkaufen sie. Das „Roundup Ready“-Saatgut beziehen sie von Händlern, bis zu einer Standortverlegung sammelten sie auch Reste von Feldern, auf denen Monsanto Saatgut vermehrte. Weil die Philippinen UPOV noch nicht beigetreten sind, können die Bauern auch mit dem andernorts geschützten Konzern-Saatgut so umgehen, wie sie es gewohnt sind.
Der Vorteil: die Kosten sind wesentlich niedriger. Das Saatgut jedes Jahr neu zu kaufen, können sie sich nicht leisten. Laut EvB kostet ein Kilogramm des Monsanto- oder Pioneer-Saatguts 550 Philippinische Peso (circa 9,70 Euro). Wird es von den Bauern selbst gewonnen und weiterverwendet, liegt der Wert bei 120 bis 200 Peso (2,00-3,50 Euro). Traditionelle einheimische Maissorten kosten sogar nur 20-30 Peso (0,35-0,50 Euro).
Auch andere Produktionskosten sind deutlich geringer. So sparen sich die Bauern beim Tiniguib-Mais künstliche Düngemittel und „Roundup“, so dass pro Hektar circa 8.000 Peso an Kosten anfallen. Verwenden sie kommerzielles Saatgut, dass sie selbst nachgebaut oder von anderen Landwirten erhalten haben, steigen die Kosten auf 13.000 bis 20.000 Peso. Kaufen sie das Saatgut auf offiziellem Wege, so schätzt die EvB, klettern die Kosten sogar auf 20.000 bis 27.000 Peso.
Der Zugang zu traditionellen Sorten bleibt wegen des geringeren Inputs wichtig. Für die philippinischen Farmer ist Tiniguib-Mais nicht nur Grundnahrungsmittel, weil sie den Geschmack schätzen. Es wächst auch an Hängen, wo viele Kleinbauern ihre Felder haben, und kommt mit wenig Dünger aus. Doch durch strengere Gesetze, Handelsverträge und den Aufkauf kleinerer Hersteller gerät die Sortenvielfalt immer mehr unter Druck. So wurden auf den Philippinen zwischen 2006 und 2011 76 Maissorten unter kommerziellen Sortenschutz gestellt, davon 33 von Pioneer und 25 von Monsanto. Der Rest ging laut EvB an andere Firmen aus dem In- und Ausland.
In anderen Erdteilen sieht es ähnlich aus. So warnte die Alliance for Food Sovereignty in Africa kürzlich, dass afrikanische Saatguthersteller von Monsanto, Syngenta oder der französischen Limagrain-Gruppe aufgekauft wurden. [dh]