Das EU-Parlament hat heute die neuen Regeln für Gentechnik-Anbauverbote beschlossen. Dabei handelte es sich eher um eine Formsache, nachdem die Unterhändler von Parlament und Regierungen der 28 Mitgliedstaaten sich zuvor nach langen Verhandlungen auf einen Kompromiss geeinigt hatten. Lesen Sie hier Stimmen zum „Opt-Out“, das nun in nationales Recht umgesetzt werden kann.
Insgesamt stimmten 480 Abgeordnete für den erzielten Kompromiss (der Umweltausschuss hatte den Weg dafür bereits im Dezember geebnet, wir berichteten). 159 votierten dagegen, 58 enthielten sich. Die nötige qualifizierte Mehrheit wurde erreicht. Diejenigen Mitgliedstaaten, die das Opt-Out nun in ihre Gesetze integrieren, können künftig für einzelne Gentechnik-Pflanzen oder für ganze Gruppen entscheiden, ob diese bei ihnen angebaut werden dürfen oder nicht (das müssen sie allerdings begründen). Ein kontroverser Punkt: Konzerne müssen nicht zwingend am Verfahren beteiligt werden, wurden aber auch nicht komplett gestrichen (alle Details finden Sie in unserem Dossier, s.u.)
+++ Stimmen zum Opt-Out +++
# Barbara Hendricks (Bundesumweltministerin, SPD): Ihr Ministerium war an der deutschen Verhandlungsführung beteiligt. Nun will sie, dass Deutschland das Opt-Out nutzt – und zwar in jedem Fall, wie aus einem internen Papier hervorgeht, aus dem die Süddeutsche Zeitung zitiert. Falls die Bundesregierung kein Verbot gegen eine bestimmte Gentechnik-Pflanze aussprechen will, müssten die einzelnen Bundesländer dazu die Möglichkeit haben. „Die grüne Gentechnik hat sich als Holzweg erwiesen“, zitiert die SZ die Ministerin.
# Lord de Mauley (Parlamentarischer Staatssekretär im britischen Umweltministerium, Konservative): Das Opt-Out soll die „Blockade“ bei der Zulassung neuer Gentechnik-Pflanzen in der EU beenden, freut sich der Staatssekretär laut der Zeitung The Telegraph. Er sei aber enttäuscht, dass andere EU-Staaten die neuen Regeln für „unwissenschaftliche“ Verbote nutzen könnten. Er halte die Gentechnik für eine „landwirtschaftliche Schlüsseltechnologie für das 21. Jahrhundert“. Derzeit gebe es allerdings keine Gentech-Pflanzen in der Warteschleife, die für den Anbau in Großbritannien geeignet seien.
# Molly Scott Cato (EU-Abgeordnete [MEP] aus Großbritannien, Grüne): Die Abgeordnete fragt sich, wie die EU eigentlich an den Punkt gelangt sei, über das Opt-Out abzustimmen. Während der Debatte im EU-Parlament sagte sie, sie habe keine einzige Zuschrift aus ihrem Wahlkreis in England bekommen, die nach mehr Gentechnik-Pflanzen verlangt hätte. Druck habe es immer nur vonseiten der Agar-Industrie gegeben.
# Lynn Boylan (MEP aus Irland, Sinn Féin, GUE/NGL): Sie hält den Kompromiss für verwässert. Den Biotech-Unternehmen würden damit rechtliche Schlupflöcher offen gelassen, mehr Gentechnik-Anbau könne die Folge sein, zitiert sie das Fachmedium Agriland.
# Martin Häusling (MEP aus Deutschland, Grüne): „Gentechnik-Kompromiss ist ein trojanisches Pferd!“, kritisierte der agrarpolitische Sprecher der Grünen. „Diese Regeln werden den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in der EU leichter machen und zu einem europäischen Flickenteppich bei der Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen führen, in einem Land mit, in einem Land ohne Gentechnik. Das birgt die Gefahr einer weiteren Ausbreitung von gentechnisch verändertem Material etwa auf dem Transportweg durch EU-Länder, die sich klar gegen diese Agrartechnologie ausgesprochen haben.“
# Kirsten Tackmann (Bundestagsabgeordnete, Die Linke): Kritisiert die Bundesregierung. Diese mache „deutlich, dass sie zukünftig selbst dann für die Zulassung neuer Gentech-Pflanzen stimmen wird, wenn sie diese anschließend in Deutschland verbieten will. Das ist absurd! Wenn die Pflanze gefährlich für Agrarbetriebe zwischen Rügen und Bodensee ist, dann gefährdet sie auch die Landwirtschaft zwischen Tirol und Sizilien. Mit diesem Verhalten beschleunigt die Bundesregierung den Zulassungsprozess und gefährdet die gentechnikfreie Agrarwirtschaft und Imkerei in Europa.“
# Matthias Groote (MEP aus Deutschland, SPD): Das Hauptanliegen seien Gesundheit und Sicherheit der Bürger Europas, deshalb müsse das Vorsorgeprinzip angewandt werden. Das Opt-Out gebe den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, den Anbau einzuschränken oder zu untersagen. Er bedauere aber, dass keine finanziellen Mittel bereit gestellt werden, um Landwirte entschädigen zu können, deren Ernte durch Gentechnik verunreinigt werde.
# Biljana Borzan (MEP aus Kroatien, Sozialdemokraten): Der Kompromiss zum Opt-Out sei nicht ideal, erfülle aber das Hauptziel. Die Verbotsmöglichkeit müsse gegeben sein, so lange nicht alle Gesundheits- und Umweltfolgen der Agro-Gentechnik geklärt seien.
# Elisabeth Köstinger (MEP aus Österreich, ÖVP): „Yes! EP stimmt für Nationales Anbauverbot von Gentechniksaatgut! Ein großer Erfolg für Österreich!“, freute sich die Konservative bei Twitter.
# Heike Moldenhauer (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland): „Es wäre mehr drin gewesen. Das EU-Parlament hätte beispielsweise nationale Verbote der Agro-Gentechnik auf Basis des EU-Umweltrechts statt des Binnenmarktrechts durchsetzen können. Außerdem hätte das Mitspracherecht von Gentech-Konzernen bei nationalen Anbauverboten ersatzlos gestrichen werden müssen. Dennoch, bei der Umsetzung der EU-Vorgaben muss Bundesagrarminister Christian Schmidt jetzt das Maximum herausholen. Dazu gehören Anbauverbote für ganz Deutschland, ohne vorher Gentech-Konzerne um Erlaubnis fragen zu müssen. Und es darf auch nicht passieren, dass die Verantwortung auf die Bundesländer abgewälzt wird.“
# Georg Janßen (Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft): „Statt alle Chancen zu nutzen, nationale Gentechnik-Anbauverbote rechtssicher zu machen, haben sich EU-Ministerrat und Europaparlament auf einen schwachen Kompromiss geeinigt, der den Schutz der gentechnikfreien Landwirtschaft und damit einen wichtigen Wettbewerbsfaktor unserer Bäuerinnen und Bauern leichtfertig aufs Spiel setzt.“ Das Opt-Out sei rechtlich nicht genügend gegen mögliche Konzernklagen abgesichert.
# Dirk Zimmermann (Greenpeace): „Die Bundesregierung muss die neuen Möglichkeiten für Anbauverbote gefährlicher Gen-Pflanzen zügig nutzen. Agrarminister Christian Schmidt hat nationale Gentechnik-Anbauverbote zum politischen Ziel erklärt, seinen Worten müssen jetzt Taten folgen. Die Regelung zum Gen-Mais 1507 muss er soweit vorbereiten, dass er im Fall einer EU-Zulassung den Anbau auch wirklich untersagen kann.“