Die britische Regierung plant ein Gesetz, das die Zulassung von Produkten beschleunigen soll, die mit neuen gentechnischen Verfahren hergestellt wurden. Erleichtert hat sie bereits Feldversuche mit solchen Pflanzen. Damit setzen die Konservativen ihren Plan weiter um, zu einem der führenden Länder für Gentechnik in der Landwirtschaft zu werden - bisher allerdings nur in England.
Angekündigt hat die Regierung ihr neues Gesetzesvorhaben vergangene Woche an prominenter Stelle, in der Queens Speech. In dieser traditionellen Rede - diesmal stellvertretend für die Königin von Prinz Charles gehalten – stellt das Königshaus die Pläne der Regierung für das kommende Jahr vor. Ein „Genetic Technology (Precision Breeding) Bill“ (dt. etwa Gesetz zur gentechnischen Präzisionszüchtung) soll demnach „das Potenzial neuer Technologien freisetzen, um eine nachhaltige und effiziente Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion zu fördern“, hieß es im Redemanuskript.
In den begleitenden Erläuterungen schrieb die Regierung, sie wolle ein neues, einfacheres Regelwerk schaffen „für präzisionsgezüchtete Pflanzen und Tiere, die genetische Veränderungen aufweisen, die auch durch traditionelle Züchtung oder natürliche Prozesse entstanden sein könnten“. Für diese Pflanzen und Tiere soll ein „neues wissenschaftlich fundiertes Zulassungsverfahren“ eingeführt werden. Züchter und Forscher müssten das Umweltministerium Defra über ihre neuen Organismen informieren, die sie für Forschungs- oder Vermarktungszwecke entwickelt haben. Die gesammelten Informationen sollen in einem amtlichen Register veröffentlicht werden. Die Regierung schränkte ein, dass dieses Gesetz nur für England gelte. Denn die Kompetenzen für die Gentechnik-Gesetzgebung liegen im Vereinigten Königreich weitgehend bei den vier Ländern. Besonders die schottische Regierung gilt als gentechnikkritisch und hält nichts von den Plänen der Johnson-Regierung, das EU-Gentechnikrecht über Bord zu werfen.
Gentechnikforscher und Pflanzenzüchter begrüßten die Ankündigung des neuen Gesetzes. „Das ist eine großartige Nachricht für Pflanzenwissenschaftler und genau das, was wir brauchen, um Pflanzenzüchter zu ermutigen, in Genome Editing zu investieren“, sagte Nigel Halford, der am Rothamsted Research Institute an genomeditiertem Weizen arbeitet. Für Liz O'Neill, Geschäftsführerin der Organisation GM Freeze, gefährden die Pläne die bisherige Transparenz: „Die Menschen wollen wissen, was sie kaufen und essen. Landwirte und Lebensmittelhersteller haben das Recht zu entscheiden, ob sie GVO verwenden oder nicht, und diese Vorschläge werden es ihnen unmöglich machen, dies zu tun“, sagte sie zu den Gesetzesplänen.
GM Freeze und die Schwesteroganisation Beyond GM wiesen auf die Konsultation des britischen Umweltministeriums Defra zu den Deregulierungsplänen im Frühjahr 2021 hin. Damals hatten sich die meisten Teilnehmenden dafür ausgesprochen, die bisherigen, auf dem EU-Gentechnikrecht beruhenden Regelungen beizubehalten. Doch schon im September 2021 legte die Defra einen Lockerungsplan vor, der diesem klaren Konsultationsergebnis widersprach. Sie stützte sich dabei auf die Stellungnahmen von wenigen öffentlichen Einrichtungen und akademischen Institutionen. Seither setzt die Regierung diesen Plan Schritt für Schritt um.
Sie legte Rechtsvorschriften vor, die Feldversuche mit genomeditierten Pflanzen erleichtern. Beide Parlamentskammern stimmten dem zu, so dass die neuen Regeln seit Anfang April 2022 in Kraft sind. Seither müssen Feldversuche mit bestimmten genomeditierten Pflanzen (als QHP, qualifying higher plants, bezeichnet) nur gemeldet aber nicht mehr genehmigt werden. Ein Beratungskommittee der Regierung (Advisory Committee on Releases to the Environment, ACRE) hat in einem Leitfaden dargelegt, für welche gentechnischen Veränderungen diese Erleichterungen gelten. Das Dokument öffne die Tür zu einem Wilden Westen des unregulierten Anbaus gentechnisch veränderter Organismen, kommentierte Claire Robinson von GMWatch. Das amtliche Register listet bereits zwei Freisetzungsversuche für QHPs auf, die nur noch angezeigt wurden. Dabei handelt es sich um Tomaten, die Vitamin D anreichern sollen, sowie um Leindotter, bei dem die Zusammensetzung der Fettsäuren im Öl geändert wurde.[lf]