Handelsübliches Vogelfutter kann mit keimfähigem, gentechnisch verändertem (gv) Raps verunreinigt sein. Fallen die Körner auf die Erde, können daraus Rapspflanzen wachsen. Das hat das Bundesamt für Umwelt in der Schweiz nachgewiesen und die gefundenen gv-Pflanzen beseitigt. Obwohl vom Gesetz vorgeschrieben, gibt es ein ähnlich effektives Monitoring in Deutschland nicht. Dabei hat das Bundesamt für Naturschutz (BfN) die Pläne dafür längst in der Schublade.
EU-weit dürfen zwar mehrere gv-Rapssorten als Lebens- und Futtermittel importiert werden, gepflanzt werden dürfen sie aber nicht. Auch gentechnikfreie Rapslieferungen können mit gv-Raps verunreinigt sein. Rapssamen sind sehr klein und bleiben lange keimfähig. Die Gefahr, dass gv-Rapssamen beim Transport verloren gehen ist groß. Ebenso groß ist das Risiko, dass aus verlorenen Samen gv-Pflanzen wachsen und ihre Eigenschaften an wildwachsenden Raps oder die verwandten Rübsen weitergeben. In Japan wurden bereits 2005 am Rande der großen Seehäfen und der wichtigsten Transportrouten gv-Rapspflanzen nachgewiesen. Erste Funde in der Schweiz folgten 2008, woraufhin die Eidgenossen ein amtliches Monitoring etablierten. Das Schweizer Bundesamt für Umwelt (BAFU) untersucht seither regelmäßig, ob sich Gentech-Raps in der Umgebung von Silos, Ölmühlen, Rangierbahnhöfen, Umschlagplätzen und entlang von Eisenbahnlinien ausbreitet. Allein 2015 kontrollierte das Amt 3918 Pflanzen an 57 Standorten und fand 15 genmanipulierte Rapspflanzen, die vernichtet wurden.
In diesem Winter untersuchte das BAFU 30 Proben handelsüblichen Vogelfutters. In 24 davon fand das Labor transgene Rapssamen, in elf sogar mehrere Sorten. Die Verunreinigungen hätten mehrheitlich bei höchstens 0,5 Prozent gelegen, die transgenen Raps-Linien seien in der Europäischen Union als Tierfutter zugelassen, schrieb die Behörde. Parallel dazu ließ sie untersuchen, ob sich die gentechnisch veränderten Rapssamen aus Vogelfuttermischungen in der Natur ausbreiten können. Dafür wurden noch einmal 37 Vogelfuttermischungen untersucht, von denen acht gentechnisch veränderte Rapssamen enthielten. Von diesen waren 0,4 bis 21 Prozent keimfähig. Daraufhin suchte das BAFU in der Umgebung von 41 Vogelfütterungsstellen nach gentechnisch veränderten Rapspflanzen und wurde an zwei Standorten fündig. „Diese Untersuchungen bestätigen somit das Risiko eines Eintrags von gentechnisch veränderten Rapssamen aus Vogelfuttermischungen in die Umwelt“, schrieb das BAFU und kündigte an, künftig Vogelfutter aus dem Handel regelmäßig kontrollieren zu wollen. Auf Anfrage teilte die Behörde mit, man gehe davon aus, dass auch in Deutschland solches oder ähnliches Vogelfutter vertrieben werde. Die Importeure seien wahrscheinlich teilweise dieselben.
Ein vergleichbares Monitoring wie in der Schweiz existiert in Deutschland nicht. Dabei schreibt das EU-Gentechnikrecht vor, dass der Import und die Verarbeitung von gv-Pflanzen von einem Monitoring der Umweltwirkungen begleitet werden müssen. In Deutschland beschränkt sich das darauf, dass die Gentechnik-Konzerne für ihr jeweiliges Saatgut einen jährlichen Bericht abliefern, den das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) veröffentlicht. Diese Berichte zeigen, dass weder die Saatgutkonzerne noch die Verarbeiter des Rapses, die sie für ihre Berichte befragen, aktiv nach entkommenem gv-Raps in der Nähe von Transportwegen oder Verarbeitungsanlagen suchen. Denn das zuständige BVL hat es nie verlangt. „Eine routinemäßige Beobachtung der Umweltwirkungen von gv-Raps, wie es die Gesetzgebung vorsieht, findet derzeit nicht statt“, heißt es auf der Webseite des Bundesamtes für Naturschutz (BfN). Die Behörde wurde deshalb aktiv und legte 2016 ein Konzept für ein Monitoring von gv-Raps vor. Bei der Erprobung des Konzepts zogen die beteiligten Wissenschaftler 136 Proben in der Umgebung von Transportwegen und Verarbeitungsanlagen entlang der Rheinschiene. „Die meisten Rapsvorkommen wurden an öffentlich zugängigen Straßenrändern und an Gleiskörpern gesichtet und beprobt. Betriebsgelände wurden von der Untersuchung ausgenommen“, heißt es im Bericht. Als transgen erwies sich eine Probe aus dem Neusser Rheinhafen. Umgesetzt wurde das 2016 vorgestellte Konzept bisher noch nicht. Das BfN halte die bisher praktizierten Monitoring-Maßnahmen bei gentechnisch veränderten Organismen, die in die Europäische Union importiert und dort verarbeitet werden, für nicht ausreichend, sagt Beate Jessel, die Präsidentin des BfN, und fügt hinzu: „Das hohe Verwilderungspotenzial von Raps und wiederholte Funde von transgenem Raps entlang von Transportwegen im europäischen und außereuropäischen Ausland erfordern erhöhte Aufmerksamkeit.“ [lf]