Die EU-Kommission hat einen Verordnungsvorschlag vorgelegt, der die Transparenz bei der EU-Risikobewertung von Pestiziden, gentechnisch veränderten Organismen (GVO) und Lebensmittelzusätzen verbessern soll. Sie reagierte damit auf eine Forderung der Europäischen Bürgerinitiative Stop Glyphosat, die im vergangenen Jahr von mehr als 1,3 Millionen EU-Bürgern unterstützt worden war.
Ausgangspunkt war der Streit um die Risikobewertung des Herbizidwirkstoffs Glyphosat, bei der sich die EU-Lebensmittelbehörde EFSA auf nichtöffentliche Studien des Herstellers Monsanto gestützt hatte. Hinzu kamen Enthüllungen, die zeigten, dass Arbeiten angeblich neutraler Wissenschaftler von Monsanto finanziert worden waren. Die Bürgerinitiative hatte daraufhin verlangt, dass die wissenschaftliche Bewertung von Pestiziden durch die Regulierungsbehörden der EU „allein auf der Grundlage veröffentlichter Studien erfolgt, die von den zuständigen Behörden und nicht von der Pestizidindustrie in Auftrag gegeben wurden“. Ähnlich hatte das EU-Parlament in einer im Oktober 2017 verabschiedeten Resolution argumentiert: „Das Zulassungsverfahren der EU, einschließlich der wissenschaftlichen Bewertung von Stoffen, sollte sich nur auf veröffentlichte, von Fachleuten geprüfte und unabhängige Studien stützen, die von den zuständigen Behörden in Auftrag gegeben wurden.“
In ihrem Verordnungsvorschlag stellt die Kommission klar, dass die für eine Zulassung notwendigen Studien weiterhin von den Herstellern erstellt werden. Künftig sollen jedoch sämtliche Studien in einem EU-Register veröffentlicht werden. Allerdings dürfen die Hersteller dabei weiterhin Daten, die sie als Geschäftsgeheimnisse definieren, zurückhalten. Die EFSA erhält die Möglichkeit, bei heftigen Kontroversen zusätzliche Studie in Auftrag zu geben, die aus dem EU-Haushalt finanziert werden. Zudem müssen bei Industriestudien künftig interessierte Nichtregierungsorganisationen konsultiert werden. Diese Regelungen sollen nicht nur für Pestizide, sondern auch für andere Risikobewertungen in der Lebensmittelkette gelten, etwa für GVO, Zusatzstoffe, Enzyme oder Verpackungsmaterialien.
„Der Protest von mehr als einer Million europäischer Bürger über die Europäische Bürgerinitiative ‚Stop Glyphosate‘ scheint sich jetzt auszuzahlen“, kommentierte der grüne EU-Parlamentarier Martin Häusling die Vorlage der Kommission. Martin Pigeon, Campaigner für Lebensmittelpolitik bei Corporate Europe Observatory sprach von ersten wichtigen Schritten, wies auf dem Portal Euractiv aber auf einen großen Haken der Regelung hin: „Jeder, der die Daten zitieren und verwenden will, muss die Erlaubnis des Unternehmens einholen, das der EFSA diese Daten zur Verfügung gestellt hat.“ Greenpeace-Sprecher Mark Breddy kritisierte, dass nach wie vor die Hersteller von Pestiziden die Prüfung ihrer eigenen Produkte kontrollieren: „Dies sollte in der Regel Aufgabe der EU sein – nicht nur in kontroversen Fällen.“ Zahlen dafür sollen laut Breddy die Unternehmen, die ihre Produkte zulassen wollen. Die Verbraucherorganisation Foodwatch kritiserte dass die von der EU-Kommission erwogenen Korrekturen insgesamt zu kurz greifen. „Da wird eine Riesenchance vertan“, sagte der Geschäftsführer von Foodwatch International, Thilo Bode.
Die Kommission will ihren Vorschlag nun mit dem Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten diskutieren und bis Mitte 2019 verabschieden. Parallel dazu arbeitet im Parlament ein Sonderausschuss die Erfahrungen mit der Risikobewertung des Herbizids Glyphosat auf. Dabei nehmen 30 Abgeordnete das Zulassungsverfahren für Pestizide, potenzielle Mängel bei der wissenschaftlichen Bewertung und mögliche Interessenskonflikte unter die Lupe. Sie sollen in neun Monaten einen Abschlussbericht mit Tatsachenfeststellungen und Empfehlungen vorlegen, die sicher auch die Haltung des Parlaments zu dem Vorschlag der Kommission beeinflussen werden. [lf]