Die Vertragsstaaten der UN-Biodiversitätskonvention konnten sich nicht auf ein Moratorium für den Einsatz von Gene Drives verständigen. Statt dessen beschlossen sie inhaltliche Vorgaben, die sich unterschiedlich interpretieren lassen.
Die 196 Mitgliedsstaaten des UN-Übereinkommens über Biologische Vielfalt (CBD) haben auf ihrem Treffen in Sharm El-Sheikh in Ägypten (COP 14) eine Regulierung von Gene Drive Technologien beschlossen. Der Text verweist auf die Risiken dieser Technologie und fordert die Vertragsstaaten auf, bei eventuellen Freisetzungen von Organismen mit Gene Drive das Vorsorgeprinzip anzuwenden. Notwendig dafür seien eine wissenschaftlich seriöse Risikoabschätzung des jeweiligen Falles und angemessene Sicherheitsmaßnahmen, um das Risiko möglichst klein zu halten. Außerdem solle die betroffene Bevölkerung vorab informiert werden und ihr Einverständnis geben. Gene Drive Organismen sind so programmiert, dass sie ihre gentechnische Veränderung dominant an alle Nachfahren vererben und so eine gentechnische Kettenreaktion in der Umwelt in Gang setzen.
Vorausgegangen war dem Beschluss ein zähes Ringen auf der COP 14. Hunderte von zivilgesellschaftlichen Organisationen, Wissenschaftler, Bauernverbände und indigene Gruppen hatten im Vorfeld ein Moratorium verlangt und auf dem 14-tägigen Treffen dafür gekämpft. „Sie sind dabei auf eine gut organisierte und großzügig finanzierte Lobby der Gegenseite getroffen“, berichtete Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung. Diese pro Gene Drive Lobby sei unter anderem von der Bill and Melinda Gates Foundation finanziert worden und habe im Vorfeld vor allem afrikanische Regierungen auf ihre Seite gebracht, die sich zuvor noch kritisch gegenüber Gene Drives geäußert hatten, schrieb die Böll-Stiftung.
Angesichts dieser mächtigen Interessen zeigte sich Barbara Unmüßig mit dem Beschluss der Konferenz zufrieden: „Auch wenn diese Entscheidung kein Moratorium bedeutet, wie wir es uns gewünscht hätten, so schiebt sie der Erforschung und Anwendung von Gene Drives doch klare Riegel vor.“ Die kanadische ETC Group betonte die im Beschluss verlangte Zustimmung der lokalen Bevölkerung. „Die UN-Entscheidung gibt die Macht zurück in die Hände der örtlichen Gemeinschaften, insbesonderen der indigenen Gruppen“, sagte ETC-Geschäftsführer Jim Thomas. „Wir wollen nicht die Laborratten für diese Auslöschungs-technologie sein”, sekundierte Mariann Bassey-Orovwuje von Friends of the Earth Africa und machte deutlich, dass es die notwendige Zustimmung in Westafrika nicht gebe. Im westafrikanischen Burkina Faso planen britische Wissenschaftler, finanziert von der Gates Stiftung, die erste Freisetzung genmanipulierter Moskitos mit Gene Drive.
Die Organisation Save Our Seeds (SOS) sieht den Beschluss der CBD deutlich kritischer. Er erschöpfe sich in einem fast beliebig interpretierbaren Appell zur Vorsorge, schrieb SOS. Regierungen und Wissenschaftler könnten selbst definieren, wie sie Risiken bewerten und welche Vorsorgemaßnahmen angemessen seien und wie sie lokale Gruppen einbinden. „Damit hat sich das millionenschwere Lobbying der Bill & Melinda Gates Foundation sowie der Interessensvertretungen der Gentechnik weitgehend durchgesetzt“, kritisierte Mareike Imken von SOS. Die CBD als das einzige internationale Forum zur Regulierung globaler Gefahren für die Biodiversität und des grenzüberschreitenden Umgangs mit gentechnisch veränderten Organismen habe „eklatant versagt“.
Ein Moratorium sei nie erreichbar gewesen, kommentierte das Wissenschaftsmagazin Nature. Denn dazu hätte es einen Konsens der 168 Unterzeichner-Staaten gebraucht. Deshalb hätten sich die Regierungsvertreter auf der COP 14 auf Änderungen im Vertragstext verständigt, die vage genug seien, damit Gegner und Befürworter von Gene Drives sich als Sieger sehen könnten. Die Debatte werde weiter gehen, lautete das Fazit von Nature. [lf]