Eine Studie hat gezeigt, dass in Brasilien ausgesetzte Gentech-Moskitos ihr Erbgut unkontrolliert weitergegeben haben. Daraus könnten besonders robuste Moskito-Stämme entstehen, fürchten die Wissenschaftler.
Die britische Firma Oxitec hatte von 2013 bis 2015 in dem brasilianischen Städtchen Jacobina wöchentlich rund 450.000 männliche Moskitos freigelassen. Deren Gene waren so verändert worden, dass die Nachkommen der Insekten noch als Larven sterben sollten. Damit wollte Oxitec die Population der Tiere reduzieren, die Dengue- und Gelbfieber übertragen können. Gleichzeitig sei dadurch eine Übertragung des Erbguts in folgende Generationen ausgeschlossen, argumentierte Oxitec.
Doch der Versuch war erfolglos. Zwar ging die Zahl der Mücken zuerst wie erwartet zurück. Doch 18 Monate nach Beginn der Freisetzungen erholte sich die Population wieder und erreichte zum Ende hin die alte Stärke. Nicht nur das: In 10 bis 60 Prozent der Mücken fanden Wissenschaftler der Universität von Yale, die den Versuch begleiteten, Erbgut der freigesetzten Gentech-Moskitos. Sie schlossen daraus, dass nicht alle Nachkommen der Gentech-Moskitos wie erwartet frühzeitig gestorben waren, sondern einige überlebt hatten und sich sogar paaren konnten. So konnte sich das Erbgut ausbreiten und ließ sich sogar in Mückenpopulationen jenseits der Freisetzungsgebiete nachweisen. Parallel dazu wurden, so vermuten die Forscher, die männlichen Gentech-Mücken als Paarungspartner immer weniger akzeptiert, was ebenfalls dazu beigetragen haben könnte, dass der Versuch fehlschlug.
Es sei unklar, wie die Veränderungen im Erbgut den Prozess der Krankheitsübertragung beeinflussen und sich auf die Versuche auswirken, diese zu kontrollieren, schrieben die Wissenschaftler aus Yale. Sie wiesen darauf hin, dass die gentechnisch veränderten Mücken ursprünglich aus Kuba stammten und in Mexiko vermehrt wurden. Das Erbgut der Mücken in Jacobina sei nun ein Mix aus den Genen der urprünglich ansässigen Moskitos sowie den Genen der Tiere aus Kuba und Mexico. Es sei wahrscheinlich, dass die Population deshalb robuster sei als früher. „Diese Ergebnisse zeigen, wie wichtig ein Überwachungsprogramm bei der Aussetzung gentechnisch veränderter Organismen ist, um nicht erwartete Folgen festzustellen“, lautete die Bilanz von Studienleiter Jeffrey Powell.
Oxitec warf den Wissenschaftlern Spekulation vor, räumte aber gleichzeitig ein, dass bei früheren Tests im Labor drei Prozent des Nachwuchses überlebt hätten. Das Unternehmen will seine Gentech-Moskitos auch in den US-Staaten Florida und Texas aussetzen und durchläuft dafür gerade das Zulassungsverfahren bei den US-Behörden. Christoph Then von Testbiotech richtete heftige Vorwürfe an Oxitech. Das Unternehmen habe die patentierten Mücken freigesetzt, obwohl bereits bekannt gewesen sei, dass manche der Tiere durchaus in der Umwelt überleben könnten. „Offensichtlich waren die Erwartungen der Investoren wichtiger als der Schutz von Mensch und Umwelt“, sagte Then. Er verwies darauf, das zahlreiche Forschungseinrichtungen Versuche planen, bei denen verändertes Erbgut in die freie Wildbahn entlassen werden soll.
Ein Beispiel dafür ist Target Malaria. Für das von der Gates Foundation unterstützte Forschungsprojekt setzten Wissenschaftler vor wenigen Monaten erstmals gentechnisch veränderte Mücken im westafrikanischen Burkina Faso frei. Die Männchen sollen steril sein und so ihr geändertes Erbgut nicht weitergeben können... [lf]