Die Zahl der Klagen in den USA wegen Gesundheitsschäden durch den Unkrautvernichter Glyphosat hat sich seit Juli auf 42.700 verdoppelt. Das teilte der Bayer-Konzern heute mit. Obwohl ein Vergleich nach Schätzung von Analysten bis zu 20 Milliarden Dollar kosten könnte, stieg die Bayer-Aktie heute um zwei Prozent.
Eine der jüngsten Klagen wurde vergangene Woche in Hawaii erhoben: Die 28jährige Dana F. kann wegen eines Geburtsfehlers nicht normal atmen. Nach vier großen Operationen muss sie mit einem künstlichen Luftröhrenzugang leben. Sie führt das darauf zurück, dass ihre Mutter während der Schwangerschaft in der Nähe von Monsantos Versuchsfeldern für gentechnisch veränderte Pflanzen auf der hawaiianischen Insel Maoui lebte. Auch eine Frau aus der Gegend, deren Sohn einen angeborenen Nierenschaden hat, hat Monsantos Mutterkonzern Bayer verklagt. Die Frauen werfen dem Konzern vor, die Anwohner nicht über die Gefahren des besonders hohen Pestizideinsatzes auf den Versuchsfeldern informiert zu haben. Glyphosathaltige Spritzmittel stehen unter anderem in Verdacht, zu embryonalen Missbildungen zu führen. Auch von südamerikanischen Sojafeldern sind solche Fälle bekannt.
Bayer weist wie immer alle Verantwortung von sich. Der Standardsatz, der im aktuellen Quartalsbericht die Absätze zum Thema Rechtsstreitigkeiten abschließt, lautet: „Bayer ist überzeugt, gute Argumente zur Verteidigung gegen die erhobenen Ansprüche zu haben, und beabsichtigt, sich in diesen Verfahren entschieden zur Wehr zu setzen.“ Das gilt für die neun Glyphosat-Klagen in Kanada und vermutlich auch für die „geringe Zahl“ von Prozessen in Frankreich, Australien und anderen Ländern. In der Mehrzahl werden Krebserkrankungen und andere Gesundheitsschäden von Menschen eingeklagt, die das Totalherbizid selbst in Gärten oder auf Feldern versprüht haben.
In den USA, so ließ der Konzern verlauten, sei die Zahl der Klagen nur deshalb so explodiert, weil die Anwaltskanzleien nach drei erfolgreichen Urteilen für geschätzt 50 Millionen Dollar Fernsehwerbung geschaltet hätten. Dort finanzieren sich Anwälte nicht wie in Deutschland über Gebühren, sondern über eine Erfolgsbeteiligung an der erstrittenen Geldsumme. Da ein Schlichter derzeit an einem Vergleich arbeitet, sind die Prozesse in den USA allerdings erst mal bis 2020 ausgesetzt. Bayer beteilige sich konstruktiv an der Mediation, teilte der Konzern mit. „Allerdings ist klar, dass Bayer nur einem Mediationsergebnis zustimmen wird, das wirtschaftlich sinnvoll und so strukturiert ist, dass es den Verfahrenskomplex zu einem vernünftigen Abschluss bringt“, sagte Vorstandschef Werner Baumann heute bei einer Pressekonferenz.
Die Geschäftsentwicklung bezeichnete Baumann als „erfolgreich“. In der Agrarsparte legte der Umsatz um 4,8 Prozent auf 3,9 Milliarden Euro zu und zwar vor allem auf dem amerikanischen Kontinent: In Nord- wie in Lateinamerika stieg der Umsatz jeweils um rund zehn Prozent. Mit 24 Prozent wurden vor allem mehr Fungizide verkauft. Ein zweistelliges Wachstum gab es auch bei gentechnisch verändertem Mais- und Sojabohnensaatgut, teilte Bayer mit. Bei der größten Geschäftseinheit, den Herbiziden, blieb der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr stabil.
Den um rund 25 Prozent auf 527 Millionen Euro erhöhten operativen Gewinn führte Bayer vor allem auf Preissteigerungen und höhere Absatzmengen in Lateinamerika zurück. Außerdem habe die Integration von Monsanto bereits Kosten eingespart. Bayer hatte Monsanto im Juni 2018 erworben und konnte im August 2018 damit beginnen, die neue Tochter in den Konzern einzufügen. Um weltweit 12.000 Stellen ohne Kündigungen abzubauen, werden nach Angaben der Rheinischen Post weiter Gespräche mit Mitarbeitenden geführt. [vef]