Der US-Richter Vince Chhabria hat Einwände gegen den Vergleichsvorschlag erhoben, mit dem die Bayer AG und mehrere Anwaltskanzleien potentielle zukünftige Klagen gegen Glyphosat regeln wollten. Daraufhin zog Bayer diesen Teil des Vergleichs zurück; der Aktienkurs brach um mehr als sechs Prozent ein.
Der Ende Juni von Bayer verkündete Vergleich mit den Anwälten der Glyphosat-Kläger in den USA hat zwei Teile. Der erste betrifft die bereits vor Gericht anhängigen Klagen mehrerer Kanzleien und die bei diesen Kanzleien eingegangenen Klagen, die noch nicht von Gerichten zugelassen wurden. Diese Einigung, die den größten Teil der Vergleichssumme von fast zehn Milliarden Euro ausmacht, steht nicht zur Debatte.
Bayer hatte aber auch mit mehreren Anwaltskanzleien, die bisher in Glyphosatprozessen nicht in Erscheinung getreten waren, ausgehandelt, wie mit potentiellen, künftigen Klagen umzugehen sei. Für deren Beilegung sind 1,1 Milliarden Euro vorgesehen. Sie sollen allerdings nur ausgezahlt werden, wenn ein fünfköpfiges Expertengremium bestätigt, dass Glyphosat tatsächlich Lymphdrüsenkrebs verursachen kann. Dessen Entscheidung soll in vier Jahren fallen. Sie wäre bindend für alle Glyphosatnutzer, die künftig an Lymphdrüsenkrebs erkranken und dafür Bayer zur Verantwortung ziehen wollen. Dieser Teil des Vergleichs braucht jedoch die Zustimmung des für die Glyphosat-Klagen zuständigen US-Bundesrichters Vince Chhabria.
Chhabria zweifelt die Rechtmäßigkeit einer solchen Lösung an, bei der statt Richtern und Geschworenen Wissenschaftler entscheiden würden. Er sei skeptisch, ob der vorgeschlagene Vergleich korrekt und fair sei und tendiere vorerst dazu, den Antrag abzulehnen, sagte Chhabria der New York Times. Für den 24. Juli hat der Richter eine Anhörung zu dem Vergleich angesetzt. Bayer erklärte, der Konzern stehe weiter „zu einer Lösung, die sowohl die aktuellen Rechtsstreitigkeiten zu sinnvollen Bedingungen beilegt als auch eine tragfähige Lösung enthält, um mögliche künftige Verfahren zu adressieren und beizulegen“. Da solche Vergleiche komplex seien, könnte es „im Verlauf einige Anpassungen erfordern“. Das Handelsblatt erwartet deshalb, dass Bayer auf das Expertengremium verzichten und einen neuen Vorschlag vorlegen wird.
Für die Organisation U.S. Right to Know steht nach einer Analyse der ausführlichen Einwände von Richter Chhabria fest, dass dieser den Plänen Bayers für zukünftige Klagen seine Zustimmung verweigern wird. Damit bliebe für den Konzern das Risiko, dass Glyphosat-Nutzer, die künftig an Lymphdrüsenkrebs erkranken, vor Gericht ziehen könnten – und damit Glyphosat-Klagen den Konzern noch über Jahrzehnte begleiten. [lf]