Greenpeace-Aktivisten demonstrieren vor der Wiener Hofburg für ein Glyphosat-Verbot © Greenpeace/Astrid Schwab

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Studie: große Mehrheit der Deutschen gegen Gentechnik auf dem Acker

Mehr als 80 Prozent der Deutschen sind dafür, gentechnisch veränderte Pflanzen und Tiere in der Landwirtschaft zu verbieten. Das ergab die Naturbewusstseinsstudie für 2019, vergangene Woche vorgestellt von der Bundesumweltministerin. Svenja Schulze wandte sich dabei gegen zunehmende Forderungen aus Wirtschaft und Wissenschaft, die neuen gentechnischen Verfahren von den Regeln des Gentechnikrechts auszunehmen.

Die Grundprinzipien Vorsorge, Risikoprüfung im Einzelfall, Rückverfolgbarkeit der gentechnischen Veränderung und Wahlfreiheit der Verbraucher seien auch bei neuen gentechnischen Verfahren wie Crispr/Cas das „Gebot der Stunde“, sagte die SPD-Politikerin. Es gebe dazu eine klare Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, die konsequent umgesetzt werden müsse. Auch die mehr als 2000 für die Naturbewusstseinsstudie zufällig ausgewählten Bundesbürger sprachen sich fast alle (95 Prozent) dafür aus, mögliche Auswirkungen auf die Natur immer zu untersuchen, wenn Pflanzen mit neuen gentechnischen Verfahren verändert werden. 88 Prozent meinen sogar, wir seien noch gar nicht in der Lage, die langfristigen Folgen der neuen gentechnischen Verfahren abzusehen. Daran ändert auch nichts, dass Wissenschaftler behaupten, die neuen gentechnischen Verfahren seien sicher: Denn eine deutliche Mehrheit von 61 Prozent der Befragten vertraut diesen Aussagen der Wissenschaftler nicht.

Neben den Risiken für Natur und Gesundheit haben die Befragten aber auch ethische Bedenken gegen die Gentechnik: Eine große Mehrheit von 84 Prozent findet, dass der Mensch kein Recht hat, Tiere und Pflanzen gezielt gentechnisch zu verändern. Noch etwas mehr Befragte, nämlich 90 Prozent, meinen dies, wenn es sich um Tiere und Pflanzen aus der freien Natur handelt. Diese ethischen Bedenken der Bevölkerung sollten Politik und Wirtschaft ernst nehmen, heißt es in der Studie.

Dementsprechend regen die Autoren auch gesetzliche Regelungen an: Das Votum der Befragten sei „ein deutliches Signal an die Bundesregierung“, das seit 2015 europarechtlich mögliche Anbauverbot für Gentech-Pflanzen nun „mit Nachdruck“ im deutschen Recht festzuschreiben. Gemeint ist damit die sogenannte „Opt out“-Regelung. Sie ermöglicht es den EU-Mitgliedsländern, den Anbau etwa eines gentechnisch veränderten Maises für ihr Territorium zu verbieten, selbst wenn die EU-Kommission ihn in Europa erlaubt. Auf ein neues deutsches Gentechnikgesetz, das dies für die Bundesrepublik regeln sollte, konnten sich Bund und Länder in fünf Jahren aber nicht verständigen. Hintergrund sind anhaltende Meinungsverschiedenheiten zwischen den Koalitionspartnern SPD und CDU. Die Studienautoren machen der Umweltministerin nun Mut: „Das stabile Meinungsbild der Bevölkerung hilft, entsprechende Bestrebungen mit Nachdruck zu verfolgen.“

Ein weiterer Gesetzgebungsauftrag ergibt sich aus der Studie beim Thema Nahrungsmittel: Denn 75 Prozent der Befragten äußern, dass sie ein Problem damit hätten, gentechnisch veränderte Lebensmittel zu essen. Und noch deutlich mehr Befragte fordern, dass Lebensmittel von Tieren gekennzeichnet werden, deren Futter gentechnisch verändert war: nämlich 95 Prozent. Auch das ist ein Auftrag an den Gesetzgeber, wie Alexander Hissting vom Verband Lebensmittel ohne Gentechnik hervorhebt. Denn eine Rechtspflicht zur Kennzeichnung solcher Produkte gibt es bisher nicht. Das Siegel „OhneGentechnik“, das der Verband im Auftrag des Bundesagrarministeriums für Tierprodukte ohne Gentech-Futter vergibt, nutzen gegenwärtig mehr als 700 Hersteller freiwillig. Damit diese Lösung auch im Zeitalter neuer gentechnischer Verfahren wie Crispr/Cas weiter funktioniert, fordert Hissting EU-Kommission und Bundesregierung dringend auf, sich um Nachweisverfahren für Produkte dieser neuen Verfahren zu kümmern, damit sie nicht unerkannt in der Lebensmittelkette landen.

Der Vorsitzende des Bundes ökologische Lebensmittelwirtschaft, Felix Prinz zu Löwenstein, sieht bei all dem vorrangig die Bundesagrar- und Ernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) in der Pflicht. Ihm sei völlig unklar, warum Klöckner die Umsetzung des EuGH-Urteils zur Gentechnik nicht endlich angehe, so Löwenstein. „Die Ernährungsministerin ist schließlich dafür verantwortlich, dass die neuen Gentechniken nach dem Europäischen Gentechnikrecht reguliert werden. Das schließt unter anderem die Sicherheitsprüfung und Kennzeichnung von Crispr-Cas und Co. und die Entwicklung praktikabler Nachweisverfahren ein.“

Auch Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), sieht in dem klaren ‚Nein‘ der Studienteilnehmer zur Gentechnik einen konkreten Arbeitsauftrag für eine nachhaltige Politik. „Die Ergebnisse der Studie müssen ein Weckruf für die Politik heute und in der Zukunft sein“, so Bandt. Und der Präsident des Naturschutzbund Deutschland, Jörg-Andreas Krüger, fordert: „Die Bundesregierung muss die Naturschutzinteressen der Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen und alles für eine krisensichere Zukunft tun.“

Der mittlerweile sechsten Naturbewusstseinsstudie liegt eine bundesweite Befragung zugrunde, die zum Jahresende 2019 durchgeführt wurde. Die Studie bezieht Menschen aus allen Regionen und sozialen Lagen Deutschlands ein. Insgesamt 2.044 zufällig ausgewählte Personen aus der deutschsprachigen Bevölkerung im Alter ab 18 Jahren nahmen an der Studie teil. Die Naturbewusstseinsstudien, die empirisch abgesicherte Daten unter anderem für die Politik zur Verfügung stellen sollen, werden im Auftrag des Bundesumweltministeriums und des Bundesamtes für Naturschutz seit 2009 veröffentlicht. [vef]

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