Die Bundesregierung begrüßt die Initiative von sieben gentechnikkritischen Verbänden, die vergangene Woche ein Nachweisverfahren für herbizidresistenten Raps der US-Firma Cibus vorgestellt hatten. Das teilte Agrar-Staatssekretär Uwe Feiler (CDU) gestern dem Bundestag mit. Unterdessen ist eine Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen des neuen Tests sowie die Informationspolitik des Unternehmens Cibus entbrannt.
„Die Bundesregierung begrüßt ausdrücklich, dass vielfältige Ansätze zur Erforschung von rechtssicheren Nachweis- und Identifizierungsmethoden für die gentechnische Überwachung verfolgt werden“, so Feiler. Die im Auftrag von internationalen Verbänden aus dem Lebensmittel- und Umweltbereich entwickelte Nachweismethode sei „dazu geeignet, die bekannte Mutation in den untersuchten Rapslinien (Cibus-Raps) nachzuweisen, die zur Herbizidresistenz geführt hat“. Hintergrund ist, dass staatliche Kontrollbehörden in ganz Europa derzeit selbst auf der Suche nach Wegen sind, wie sie diesen Raps und andere mit neuen gentechnischen Verfahren entwickelte Pflanzen nachweisen können (der Infodienst berichtete).
Gearbeitet wird dabei üblicherweise mit einem Verfahren namens Polymerase-Kettenreaktion (PCR). Dieses Verfahren hat das von der Verbändeinitiative beauftragte amerikanische Labor genutzt und damit experimentiert auch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) seit 2019 in einem Pilotprojekt zum Nachweis genomeditierter Pflanzen. Mit diesem PCR-Verfahren ist es möglich, auch kleinste Veränderungen im DNA-Strang eines Gens nachzuweisen, wie sie etwa neue gentechnische Methoden wie Crispr/Cas bewirken. Das klappt aber nur, wenn man weiß, was genau verändert wurde. Diese Informationen geben Unternehmen, die neue Pflanzen entwickelt haben, jedoch meist nicht freiwillig heraus. Das gleiche gilt für Saatgut, an dem man einen passenden Test erproben könnte.
Das BVL arbeitet daher bisher mit Versuchslinien von gentechnisch verändertem Raps, von denen ihm Genprofil und Saatgut vorliegen. Der Verbändeinitiative ist es dagegen gelungen, sich von dem unter der Marke „Falco“ auf dem nordamerikanischen Markt angebotenen Canola-Raps die nötigen Informationen und Referenzmaterial zu besorgen. Daher gibt es nun erstmals ein Nachweisverfahren für diesen Raps, das gratis veröffentlicht und Behörden wie Unternehmen weltweit zur Nachahmung empfohlen wurde. Auf der Basis dieser Methode könnten für die meisten genomeditierten Pflanzen Nachweise entwickelt werden, so der leitende Wissenschaftler John Fagan. Auch Staatssekretär Feiler regte an, das Verfahren für den Nachweis anderer Mutationen anzupassen. Das BVL will die „Leistungseigenschaften“ des neuen Tests anhand seiner Rapsversuchslinien prüfen.
Damit den Kontrollbehörden die nötigen Informationen zu genomeditierten Pflanzen künftig vorliegen, schlagen Staatssekretär Feiler und das Bundesamt für Naturschutz ein Register vor, in dem die genetischen Eigenschaften solcher Pflanzen eingetragen werden. Bislang muss ein Unternehmen diese nur mitteilen, wenn es eine Pflanze in der Europäischen Union auf den Markt bringen will. Die Kontrollbehörden brauchen jedoch auch Nachweisverfahren für nicht zugelassene Pflanzen, um zu verhindern, dass sie illegal auf den europäischen Markt gelangen oder hier das Saatgut verunreinigen.
Umstritten ist nun, was ein Nachweis leisten muss, damit man eine Pflanzenlieferung an europäischen oder deutschen Grenzen gerichtsfest abweisen oder vom Markt nehmen kann. Nach Angaben der Verbändeinitiative reicht es europarechtlich aus, eine Pflanze wie den Canola-Raps anhand von zwei spezifischen Punktmutationen zu identifizieren. Es sei „extrem unwahrscheinlich“, dass eine andere Pflanze zufällig die gleichen Mutationen aufweise. Auch der vom Julius-Kühn-Institut ins Feld geführte wilde Rettich ähnele dem Canola-Raps nur bei einer Mutation. Nicht nachgewiesen werden muss nach Angaben der Initiative, mit welchem gentechnischen Verfahren die Pflanze manipuliert wurde.
Das BVL sieht das anders: „Das europäische Recht erfordert Analyseverfahren, die hinsichtlich der Spezifität eindeutig sind und gentechnische Veränderungen zweifelsfrei nachweisen sowie den GVO identifizieren können“, schrieb die Behörde dem Infodienst. Das sei bei dem neuen Rapstest nicht der Fall. Nach jetzigem Stand der Technik müssten dafür voraussichtlich größere Genabschnitte sequenziert werden. Außerdem müssten Referenzmaterialien, also etwa Samen der Pflanze, vorliegen. „Letztendlich müssen aber die für die Überwachung zuständigen Behörden der Länder entscheiden, auf welcher Grundlage und auf welchen Analyseergebnissen eine belastbare, behördliche Beanstandung erfolgen kann“, so das BVL.
Der neue Rapsnachweis der Verbände kann nicht feststellen, ob die Mutation mit einem gentechnischen Verfahren erzeugt wurde und wenn ja, mit welchem. Das hat die Aktionsgruppe klar kommuniziert. Sie wollte beweisen, dass man diese Rapslinie identifizieren und von anderen unterscheiden kann. Denn der Canola-Raps war vom Hersteller in der Vergangenheit wegen seines „hochpräzisen“ Herstellungsverfahrens des „Rapid Trait Development System“ beworben worden, einer Form der Oligonukleotidgesteuerten Mutagenese (ODM). Die gehört zu den neuen gentechnischen Verfahren, die angeblich gesetzlich nicht geregelt werden können, weil ihre Veränderungen nicht nachweisbar seien. Der neue Test ist für die Verbände der Beweis, dass es möglich ist.
Das Problem: Inzwischen wird von Hersteller und Behörden in Frage gestellt, ob der Canola-Raps überhaupt gentechnisch verändert wurde. Noch im Jahr 2015 hatte das BVL in einem Bescheid festgestellt, die Mutation in der im Canola enthaltenen Rapslinie BnALS-57 sei durch ODM entstanden. Und in der eigenen Euginius-Datenbank für gentechnisch veränderte Pflanzen führt das BVL die Rapslinie als GVO. In einer Stellungnahme zum neuen Nachweisverfahren schreibt das BVL jetzt jedoch, das ODM-Verfahren sei bei der Rapslinie zwar angewandt worden, die durch den Nachweis festgestellte Mutation sei aber nicht durch dieses Verfahren ausgelöst worden. Bei der stattdessen vorliegenden Zufallsmutation handele es sich nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht um Gentechnik.
Das BVL beruft sich bei seiner aktuellen Einschätzung auf Angaben des Herstellers und Dokumente kanadischer Behörden. Dabei stellte die Verbändegruppe eine seltsame Entwicklung fest: Während die ersten Fassungen der Sicherheitsbewertung der kanadischen Lebensmittelkontrollbehörde zum Canola-Raps in den Jahren 2013 und 2017 noch den Hinweis auf das RTDS/ODM-Verfahren enthielten, ist es in der aktuellen, im Juli 2020 zuletzt geänderten Version verschwunden. Im Sommer 2018 hatte der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Produkte aus neuen gentechnischen Verfahren wie ODM dem Gentechnikrecht unterliegen.
Auch die Firma Cibus habe beim Canola-Raps früher viel offensiver mit ihrer RTDS-Technologie geworben, schrieben die Verbände. Heute steht auf der Falco-Werbewebseite bei den Linien, für die der neue Nachweis entwickelt wurde, sie seien mit herkömmlichen Methoden gezüchtet worden. Dasselbe versicherte ein Vorstandsmitglied des Unternehmens vergangene Woche mehreren Medien. Der überraschende Schachzug zeige, so Franziska Achterberg von Greenpeace, dass die Gentechnikindustrie aus mehr als 20 Jahren klarer Kundenforderungen nach Transparenz bei gentechnisch veränderten Lebensmitteln wenig bis gar nichts gelernt habe. Und die Behörden, die das Gentechnikrecht auch für neue Verfahren durchsetzen müssen, müssten eingestehen, dass die Industrie offensichtlich noch nicht bereit ist, ihren Beitrag zu leisten. [vef]