UPDATE +++ Das Landesgericht Bozen in Südtirol hat die Ermittlungsverfahren gegen den Verleger Jacob Radloff sowie Vorstände des Umweltinstituts München aus Mangel an Beweisen eingestellt. Weiter verhandelt werden die Verleumdungsklagen gegen den Autor Alexander Schiebel und Karl Bär, Agrarreferent des Umweltinstituts. Der Vorwurf: Sie prangerten öffentlich massiven Pestizideinsatz im Südtiroler Apfelanbau an.
Jacob Radloff ist Geschäftsführer des oekom-Verlages, der 2017 Alexander Schiebels Buch "Das Wunder von Mals" veröffentlichte. Darin berichtete der Autor über den Kampf der kleinen Südtiroler Gemeinde gegen den Pestizideinsatz im Obstanbau. Der Südtiroler Landesrat Arnold Schuler und mehr als 1600 Landwirte erstatteten Anzeige wegen übler Nachrede gegen Schiebel und seinen Verleger. Der Prozess gegen Schiebel begann bereits im September. Nach einer Anhörung von Radloff vergangene Woche entschied das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft, die Ermittlungen gegen ihn zu den Akten zu legen und begründete dies mit einem Mangel an Beweisen. Ebenfalls beendet wurde das Verfahren gegen ehemalige und aktive Vorstände des Umweltinstituts München. Die Betroffenen begrüßten die Entscheidung als einen bedeutenden Teilsieg für das Recht auf freie Meinungsäußerung. „Auch wenn ich nun nicht mehr selbst auf der Anklagebank Platz nehmen muss, stehen immer noch Menschen vor Gericht, weil sie auf ein real existierendes Problem aufmerksam gemacht haben“, sagte Radloff. Neben Schiebel ist das Karl Bär vom Umweltinstitut München. Der Verein initiierte im Jahr 2017 eine öffentlichkeitswirksame Kampagne zur Aufklärung über den hohen Pestizideinsatz in Südtirol.
Wegen dieser Kampagne musste Karl Bär, der Agrarreferent des Umweltinstitutes wie Schiebel schon im September vor dem Richter erscheinen. Damals hatte Landesrat Arnold Schuler zunächst angekündigt, seine Anzeige gegen Bär und Schiebel zurückzuziehen, machte aber wenige Tage später eine Kehrtwende. Gegenüber der Neuen Südtiroler Tageszeitung erklärte Schuler, dass die Gegenseite „keinen Willen zu einer außergerichtlicher Einigung gezeigt habe“. Die Aktionen sowie E-Mails und Videos der Angeklagten, die während der Vergleichsgespräche verbreitet wurden, hätten darauf schließen lassen, dass eine außergerichtliche Einigung im Grunde nicht gewollt sei. Die nächste Verhandlung gegen Bär ist nun für den 27. November angesetzt.
„Die Gespräche zwischen den Anwälten der beiden Parteien scheiterten entgegen anderslautenden Behauptungen daran, dass die Kläger die Aufklärungsarbeit über den hohen Pestizideinsatz in Südtirol unterbinden wollten“ erklärte dagegen das Umweltinstitut München. Schulers Anwälte hätten Bedingungen für die Rücknahme der Anzeigen gestellt. „Landesrat Schuler wollte uns darauf festnageln, wichtige Daten zum Pestizideinsatz in Südtirol vor der Öffentlichkeit zurückzuhalten“, erklärte Karl Bär: „Wir werden uns niemals einen Maulkorb verpassen lassen.“
Um das zu unterstreichen, veröffentlichte das Umweltinstitut kurz darauf Messungen, die es 2019 für das Amt für Natur und Umwelt (ANU) des Schweizer Kantons Graubünden gemacht hatte. Sie zeigen laut Bär, dass Pestizide aus dem Südtiroler Obstbau bis in das angrenzende Schweizer Münstertal verfrachtet werden. Der Schweizer Teil des Tales ist ein Naturpark, in dem 80 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe nach den Richtlinien des ökologischen Landbaus arbeiten. Unter den zehn nachgewiesenen Pestizidwirkstoffe seien auch in hohem Maße gesundheitsgefährdende Stoffe wie Captan und Phosmet gewesen, sagte Bär. [lf]