Der Fall der gentechnisch verunreinigten Leinsamen-Ernte eines Bio-Landwirts aus Baden-Württemberg hat eine europäische Dimension. Wie der Informationsdienst Gentechnik aus gut unterrichteten Kreisen erfuhr, stammte das Saatgut des süddeutschen Landwirts aus einer Saatgutpartie von fast zehn Tonnen, die in Tschechien produziert worden war. Sie war bereits 2018 nach Deutschland und Irland verkauft worden.
Den Angaben zufolge wurde die Leinsaat, die vermutlich schon mit dem herbizidresistenten Gentechnik-Leinsamen FP 967/Triffid verunreinigt war, in den Jahren 2012 bis 2017 in Tschechien hergestellt. 2018 wurden knapp 6.000 Kilogramm an ein Unternehmen in Deutschland und fast 4.000 Kilogramm an ein irisches Unternehmen verkauft. Das Saatgut stammte aus konventioneller Landwirtschaft. Der baden-württembergische Biobauer verwendete es mit einer gültigen Ausnahmegenehmigung. Einen Beweis, dass dieses Saatgut bereits verunreinigt war, gibt es dem Vernehmen nach nicht, da von der Ursprungspartie bislang keine Restbestände mehr gefunden werden konnten, die man hätte testen können.
Die deutschen Behörden hatten den Verunreinigungsfall am 26. November an die EU-Kommission gemeldet. Die deutsche Öffentlichkeit wurde vom baden-württembergischen Landwirtschaftsministerium am 8. Dezember informiert. Auf Nachfragen des Infodienst Gentechnik teilte das Agrarministerium am 10. Dezember lediglich mit: „Wir haben die vorliegenden Infos umgehend veröffentlicht und die offenen Punkte werden derzeit erhoben.“ Angaben dazu, wieviele Landwirte das verunreinigte Saatgut in welchen Bundesländern ausgebracht haben und wieviel von der Ernte in den Handel oder die Lebensmittelproduktion gelangte, gibt es bislang nicht – weder vom koordinierenden Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit noch von einzelnen Länderministerien.
Die knapp sechs Tonnen Leinsaat, die 2018 nach Deutschland geliefert worden waren, reichen für etwa 150 Hektar Anbaufläche mit einer Ernte von mehr als 2.000 Tonnen. Eine Sprecherin der EU-Kommission teilte auf Anfrage mit, die zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedsstaaten seien dabei, die Verkäufe der verunreinigten Saatgut-Charge nachzuverfolgen. In der europäischen Union ist es weder erlaubt, den gentechnisch veränderten Leinsamen anzubauen, noch ihn als Lebens- oder Futtermittel zu verwenden.
Der Gentech-Leinsamen FP 967/Triffid wurde in den 1980-er Jahren entwickelt, nach offiziellen Angaben aber nie kommerziell angebaut, schrieb das Agrarministerium Baden-Württemberg in seiner Presseinfo vom 8.12.. Aktuell soll er nach Behördenangaben in den USA, Kanada und Kolumbien noch als Lebens- und/oder Futtermittel zugelassen sein. Wie berichtet hatten ihn baden-württembergische Behörden bereits 2009 in importiertem Leinsamen aus Kanada nachgewiesen. Dem Vernehmen nach gibt es bislang keine konkreten Hinweise, dass der aktuelle Verunreinigungsfall mit dem damaligen in Verbindung steht. Vor elf Jahren war der kanadische FP 967-Leinsamen in 28 Ländern weltweit gefunden worden, unter anderem in Backwaren.
Auch diesmal ist jedenfalls aus Baden-Württemberg bekannt, dass ein kleiner Teil der verunreinigten Leinsamen zu Backwaren verarbeitet und verzehrt wurde. Eine Gesundheitsgefahr bestehe nicht, hieß es von Behördenseite. Nicht verarbeitete Bestände seien sowohl in Deutschland als auch in Irland beschlagnahmt worden und würden vernichtet. Es ist nicht das erste Mal, dass Triffid seit 2009 wieder in Europa auftauchte. Wie das europäische Schnellwarnsystem für Lebens-und Futtermittel RASFF ausweist, fanden die slowakischen Behörden im Mai 2019 Erbgut von FP 967/Triffid in einer Partie Leinsamen aus der Ukraine. Sie wiesen die verunreinigte Lieferung bereits an der Grenze zurück. [lf/vef]