Mäuse, Foto: grebrov/Flickr https://bit.ly/3pQ6anX https://creativecommons.org/licenses/by-nd/2.0/

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Glyphosat: Bayer erwägt Verkaufsstopp an US-Privatkunden

Wie kann der Bayerkonzern in Zukunft die Gefahr verringern, dass Krebskranke ihn wegen seines Unkrautvernichters Glyphosat auf Schadenersatz verklagen? Indem er das Totalherbizid in den USA nicht mehr an Privatanwender verkauft. Dies ist einer von fünf Punkten, die der Agrarchemiekonzern jetzt in eigener Regie angehen will. Vergangene Woche hatte ein US-Richter auch einen zweiten Vorschlag abgelehnt, wie sich die Leverkusener über künftige Glyphosat-Klagen außergerichtlich einigen wollten.

Etwa 95 Prozent der bislang etwa 125.000 Glyphosatklagen in den USA seien von Privatanwendern eingereicht worden, sagte ein Unternehmensvertreter vergangenen Donnerstag bei einer Telefonkonferenz. Für den Einsatz in Gärten und auf Grünflächen würden glyphosathaltige Spritzmittel im Wert von etwa 300 Millionen Euro pro Jahr verkauft, so der Chef der Agrarsparte, Liam Condon. Jetzt wolle Bayer mit seinen Handelspartnern darüber diskutieren, ob man solche Spritzmittel künftig mit einem anderen Wirkstoff herstellt. Bis dahin würden die Glyphosat-Spritzmittel für Gärten und Grünflächen in den USA weiter verkauft.

Wie der Infodienst bereits mehrfach berichtete, war die Regelung über künftige Glyphosat-Klagen Teil der Vergleichsverhandlungen, zu denen der zuständige US-Bundesrichter Vince Chhabria Bayer im April 2019 verpflichtet hatte. Der Vergleich, den Bayer im Sommer 2020 vorstellte, bestand aus zwei Teilen. Mit 9,6 Milliarden US Dollar wollte der Chemiekonzern laufende und bereits absehbare Klagen beilegen. Von diesen 9,6 Milliarden wurden nach Unternehmensangaben bis Ende März 2021 rund sechs Milliarden US Dollar ausgezahlt. In dem von Bayer vorgelegten Fünf-Punkte-Plan heißt es, rund 96.000 der aktuellen Verfahren seien verglichen, würden derzeit verglichen oder entsprächen nicht den Kriterien für einen Vergleich. Wie in der Telefonkonferenz deutlich wurde, hat Bayer diese 96.000 Verfahren abgehakt.

Weniger klar scheint das Schicksal der verbleibenden rund 30.000 Glyphosat-Klagen. Das weitere Vorgehen bei Vergleichen zu aktuellen Klagen „wird überprüft“, heißt es dazu im Fünf-Punkte-Plan. Bayer sei weiterhin offen für Vergleichsverhandlungen „soweit die Kläger den Teilnahmekriterien entsprechen und angemessene Ergebnisse erreicht werden können“. Bayer wolle die Klagen gütlich beilegen, „allerdings behält sich das Unternehmen vor, regelmäßig zu prüfen, ob dieser Ansatz noch im besten Interesse des Unternehmens ist“. Für zukünftige Klagen, also etwa von Menschen, die erst später erkranken, hatte Bayer zwei Milliarden Dollar für die nächsten vier Jahre vorgesehen. Bei dieser Summe soll es bleiben, auch wenn Bundesrichter Vince Chhabria die von Bayer und einigen Kanzleien ausgearbeiteten Verfahrensvorschläge vergangene Woche ablehnte.

Bayer will das Problem künftiger Klagen jetzt in Eigenregie angehen: Der Konzern will eine „Internetseite mit wissenschaftlichen Studien zur Sicherheit von Glyphosat-basierten Produkten“ erstellen und auf seinen Produkten darauf hinweisen. Weiterhin will er ein „unabhängiges wissenschaftliches Beratungsgremium“ einrichten, das die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Sicherheit des Herbizids Roundup überprüfen soll. Ein solches Gremium hatte Richter Chhabria abgelehnt, da die bisherigen Gerichtsurteile zu der Frage eindeutig seien.

Große Hoffnung setzt Bayer-Chef Werner Baumann jetzt in den Supreme Court, das höchste Gericht der USA. Er kündigte an, die Berufungsverfahren in den Fällen Hardeman und Pilliod weiterzuführen. Man rechne im Sommer 2022 mit ersten Ergebnissen. Hinzu kommt das Verfahren Carson, in dem es um das für die Glyphosatklagen wichtige Verhältnis von Bundesrecht zu dem der Einzelstaaten geht. Bayer habe dem bisher Unterlegenen John Carson eigens 100.000 Dollar gezahlt, damit dieser in Berufung gehe und so der Fall vor den Supreme Court komme, warf die Coordination gegen Bayer-Gefahren dem Konzern vor.

In der Wirtschaftspresse wird Chhabrias Ablehnung und Bayers Reaktion darauf als weiterer Tiefschlag für den Konzern eingeordnet. Das Manager Magazin schrieb, die Geduld der Aktionäre mit Baumann „dürfte sich ohnehin dem Ende zuneigen“. Zudem bleibe Bayer „ein Ziel für aggressive Hedgefonds, die den Konzern angreifen und auf eine Zerlegung in einen Agrar- und einen Pharmateil drängen“. Business Insider sieht Baumann wackeln und stellt schon mal einen potentiellen Nachfolger vor. Der kommt aus dem Unternehmen, denn es „möchte wohl niemand von außen dieses schwierige Erbe antreten“, schreibt Business Insider. [lf/vef]

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