Das Buch "Das Wunder von Mals" von Alexander Schiebel enthält keine üble Nachrede. So hat es das Landesgericht in Bozen in Südtirol entschieden und den Filmemacher und Buchautor von diesem Vorwurf freigesprochen. Das Verfahren wegen übler Nachrede gegen Karl Bär vom Umweltinstitut München will das Gericht jedoch fortführen.
Schiebel und Bär hatten 2017 den massiven Pestizideinsatz beim Obstanbau in Südtirol deutlich kritisiert: Schiebel in seinem beim oekom Verlag erschienen Buch "Das Wunder von Mals", Bär mit einer Kampagne für „Pestizidtirol“, bei der er die Südtiroler Tourismuswerbung aufs Korn nahm. Das brachte beiden Anzeigen des Südtiroler Landesrates für Landwirtschaft, Arnold Schuler, sowie von 1376 Landwirten ein. Verhandelt werden die beiden Fälle jedoch einzeln, von unterschiedlichen Richtern.
Bärs Prozess begann im September 2020, sorgte für große Aufmerksamkeit und brachte Südtirol schlechte Presse. Nicht nur Umweltschützer werteten das Verfahren als SLAPP-Klage, also als einen Versuch, unliebsame Kritiker mit juristischen Mitteln mundtot zu machen. Parallel zu Bärs drittem Verhandlungstag eröffnete ein zweiter Richter das Verfahren gegen Schiebel und beendete es nach wenigen Minuten mit einem Freispruch: Eine üble Nachrede liege nicht vor. „Aus meiner Sicht ein ganz wichtiger Sieg für die Meinungsfreiheit. Und natürlich eine große Erleichterung für mich und meine Familie“, kommentierte Alexander Schiebel seinen Freispruch. Karl Bär gab sich optimistisch, dass auch sein Verfahren bald beendet werde.
Das wäre auch den meisten Südtiroler Obstbauern inzwischen recht. Landesrat Schuler und zwei Obleute der Obstgenossenschaft hatten vor dem Prozesstermin ihre Nebenklagen zurückgezogen. Auch hätten fast alle Obstbauern unterschrieben, dass sie ihre Strafanzeigen zurücknehmen wollen, berichtete die Neue Südtiroler Tageszeitung. Nur zwei Brüder blieben hartnäckig und deshalb müsse das Verfahren aus formalen Gründen fortgesetzt werden.
Termin dafür ist der 22. Oktober 2021. An diesem Tag will das Gericht die zwei Brüder als Zeugen der Anklage hören. Nach deren Auftritt sollen im weiteren Prozess insgesamt 88 Zeugen das Umweltinstitut verteidigen und die negativen Umwelt- und Gesundheitsauswirkungen des hohen Pestizideinsatzes in den Südtiroler Apfelplantagen darlegen. Wie hoch der Pestizideinsatz ist, belegen Aufzeichnungen der Landwirte, die vom Gericht angefordert wurden und die das Umweltinstitut derzeit auswertet. Auch diese Zahlen will es in das Verfahren einbringen. Ob es soweit kommt liegt nun an den beiden Südtiroler Obstbauern. Deren Haltung bezeichnete ihr einstiger Verbündeter, Landesrat Schuler, als „sehr bedauerlich“. [lf]