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Bundestagswahl: Das sagen Kandidat*innen und Fraktionen zur Agro-Gentechnik

Wenn Kandidat*innen für den Bundestag in Fernsehen oder Onlinemedien befragt werden, geht es selten um das Thema Gentechnik in der Landwirtschaft. Gentechnikkritische Verbände und Initiativen haben jedoch im Vorfeld der Bundestagswahl am 26. September bei Kanzlerkandidat*innen und Fraktionen nachgefragt, wie sie zum Einsatz von neuen gentechnischen Verfahren bei der Lebensmittelproduktion stehen. Der Infodienst gibt einen Überblick über die Antworten.

Der Kanzlerkandidat der SPD, Olaf Scholz, will sich „weiterhin auf allen Ebenen für eine strikte Regulierung der neuen Gentechniken einsetzen“, schrieb er einer Gruppe von sieben gentechnikkritischen Verbänden und Stiftungen unter Führung des Vereins Testbiotech. Basis jeder Kontrolle sei es, passende Nachweismethoden für genomeditierte Pflanzen zu entwickeln. Die SPD werde sich ferner in der nächsten Legislaturperiode erneut dafür einsetzen, den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen, die in Europa zugelassen sind, in Deutschland zu verbieten, versprach der SPD-Politiker. Hier hatte sich die aktuelle große Koalition nicht auf eine Regelung verständigen können.

Auch der Vize-Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Matthias Miersch, betont, dass mit Crispr/Cas oder anderen neuen gentechnischen Verfahren veränderte (= genomeditierte) Pflanzen ebenso zugelassen und gekennzeichnet werden müssen wie Produkte „alter“ Gentechnik. Bei uns „rennen Sie offene Türen ein“, versicherte Miersch der Initiative Zivilcourage Miersbach, die allen Fraktionsvorsitzenden im Deutschen Bundestag ans Herz gelegt hatte, auch bei genomeditierten Pflanzen deren Risiken für andere Pflanzen, Tiere, Menschen sowie die Biodiversität zu berücksichtigen. Um diese unabhängig zu erforschen, habe seine Fraktion erreicht, dass das Umweltministerium für drei Jahre 350.000 Euro zusätzliche Mittel erhält, so Miersch in seiner Mail.

Die Kanzlerkandidatin von Bündnis90/Die Grünen will ebenfalls die Risikoforschung stärken. „Die neuen Gentechniken sind mächtige Instrumente, die von kleinsten Änderungen bis hin zu großen Umgestaltungen der DNA eines Lebewesens eingesetzt werden können“, schrieb Annalena Baerbock an Testbiotech & Co.. Daher müsse das europarechtlich verankerte Vorsorgeprinzip greifen. „Auch nach der Bundestagswahl wird sich meine Partei dafür einsetzen, dass das geltende EU-Zulassungsverfahren weiterhin für Anwendungen der neuen Gentechnik gilt und nicht aufgeweicht wird“, verspricht Baerbock.

Ganz besonders ausführlich und detailliert hat der Gentechnikexperte der grünen Bundestagsfraktion die Fragen der Zivilcourage zu Genome Editing beantwortet: So hält Harald Ebner es für naiv, Herausforderungen von wachsender Weltbevölkerung und Klimakrise „mit einem reinen Techno-Fix wie der Gentechnik zu begegnen. Es braucht umfassende Gesamtkonzepte für klimaresiliente Agrarökosysteme.“ Außerdem müssten robuste Sorten gezüchtet sowie die Forschung zu alternativen Ansätzen gestärkt werden, die auf traditionelle und ökologische Züchtungsverfahren setzen. Dabei sieht er die Gefahr, dass Universitäten und Forschungseinrichtungen auch auf Drittmittel der Unternehmen angewiesen sind, die gentechnisch veränderte Pflanzen entwickeln und verkaufen wollen. Wegen knapper Budgets müssten Hochschulen oft selbst darauf achten, ihre Forschungsergebnisse gewinnbringend zu verwerten. Hier müsse die Forschungspolitik künftig gegensteuern, fordert der Grünen-Politiker.

Schlösse man von Absender und Umfang einer Antwort darauf, wie wichtig ein Thema für eine Partei ist, dann hätte die neue Gentechnik für die CDU/CSU nur wenig Bedeutung. CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet ließ eine Referentin antworten, die aus dem Aufruf der Verbände „zur strikten Regulierung der neuen Gentechnik“ ein "Schreiben zu neuen genomischen Züchtungstechnologien" macht. Mit dieser Formulierung macht die CDU in ihren Statements regelmäßig deutlich, dass sie mit neuen gentechnischen Verfahren veränderte Pflanzen nicht nach Gentechnikrecht behandeln will. In den drei Absätzen des Briefes geht es vor allem um Chancen und Potentiale der neuen Techniken. Die CDU begrüße, dass die Europäische Kommission Konsultationen begonnen habe, ob der europäische Rechtsrahmen für die neuen Technologien angepasst, sprich gelockert werden sollte. Auf den Brief des Miesbacher Aktionsbündnisses an CDU-Fraktionschef Brinkhaus im Bundestag mit acht detaillierten Fragen zu den neuen Techniken antwortete ein Fraktionsreferent nur mit einer monatealten Pressemitteilung.

Deshalb haben sich die Miesbacher jetzt Verstärkung geholt und gemeinsam mit weiteren Zivilcourage-Gruppen aus sieben bayerischen Landkreisen den CSU-Vorsitzenden Markus Söder um Hilfe gebeten. „Wir sehen in der offiziellen Stellungnahme der Fraktion den Versuch, mit der Unterstützung einer Änderung des europäischen Gentechnikrechts das Urteil des EUGH auszuhebeln, ohne dass für die neuen Verfahren ausreichende Risikoprüfungen vorgesehen sind“, schrieben sie vergangene Woche an ihren Landesherrn. „Wir bitten Sie als bayerischer Ministerpräsident und als Vorsitzender der Regierungspartei CSU diesen verhängnisvollen Prozess zu stoppen.“ In einem Bundesland mit zahlreichen gentechnikfreien Kommunen, denen der frühere Umweltminister Söder noch selbst die Urkunden ausgehändigt hatte, hoffen sie offenbar auf mehr Interesse und Sachverstand als in der Bundespartei.

Bei der FDP lobte der in die Kritik geratene Vize-Fraktionschef Frank Sitta „grüne Biotechnologie und die Innovationen von Gentechnik“. „Innovationen sind der Schlüssel und die Basis für unser wirtschaftliches Wachstum und unseren Wohlstand“, so der Agrarsprecher der FDP, der mit dem Ende der Legislaturperiode aus dem Bundestag ausscheiden wird. In seiner knappen Mail verwies er auf eine Reihe von Forschungseinrichtungen, die dafür sind, die Regeln für neue Gentechnik zu lockern.

„Auch wir beobachten das zunehmende Getrommel für die sogenannten ‚Neuen Züchtungstechniken‘ auf Bundes- und EU-Ebene mit Sorge“, schrieb dagegen die Fraktion Die Linke „mit solidarischen Grüßen“ an die Zivilcourage Miersbach. „Wir lehnen ab, das so wichtige Vorsorgeprinzip mit quasi Verfassungsrang aufzuweichen durch ein Innovationsprinzip. Wichtig ist aus Sicht der Linken, die systemischen Ursachen der Probleme zu bekämpfen statt technischer Symptomlinderung, von der vor allem Konzerne profitieren statt Natur, Klima und die menschliche Gesellschaft.“ Für die Linke sollten neue gentechnische Methoden „mindestens“ so streng geregelt werden, wie die alte Gentechnik. Besser wäre es, wenn „noch Defizite des Zulassungsverfahrens beseitigt werden, z. B. hinsichtlich Transparenz oder Unabhängigkeit und Vollständigkeit der Prüfung, inklusive langfristiger und ungewollter Wirkungen“, heißt es in den Antworten. Die Fraktion warnt, „dass die sogenannte Koexistenz weder mit der konventionellen noch mit der Ökolandwirtschaft auf Dauer funktioniert bzw. der Versuch extrem teuer wird aufgrund der Trennung der gesamten Lieferkette“. Mit den wirtschaftlichen Risiken würden die Anwender allein gelassen, da sie keine Versicherung übernimmt. [vef]

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