Die britische Regierung will Feldversuche mit genomeditierten Pflanzen erleichtern. Das teilte das Agrarministerium vergangene Woche mit. „Vorerst“ müssten solche Pflanzen aber weiter als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) zugelassen werden, wenn sie auf den Markt gebracht werden sollen. Die Organisation GMWatch kritisierte Feldversuche ohne Risikoprüfung als 'Wilden Westen' für GVO-Entwickler zum Nachteil von Umwelt und Gesundheit.
„Die heute erlassenen Rechtsvorschriften sind der erste Schritt auf dem Weg zu einem wissenschaftlicheren und verhältnismäßigeren Ansatz für die Regulierung der Gentechnologien, der es uns ermöglichen wird, Innovationen mit diesen Technologien weiter zu erschließen“, heißt es in der sehr ausführlichen Presseinformation des Ministeriums für Umwelt und Landwirtschaft sowie der Ministerin für Agrarinnovation und Klimaanpassung, Jo Churchill. „Neue Gentechnologien könnten uns helfen, einige der größten Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen – in Bezug auf Ernährungssicherheit, Klimawandel und Verlust der biologischen Vielfalt“, wird diese darin zitiert. Der Austritt aus der Europäischen Union gebe die Freiheit, diese Themen jetzt unbürokratisch zu regeln. „Die neue Gesetzgebung wird auch das Bestreben des Vereinigten Königreichs vorantreiben, bis 2030 eine globale Wissenschaftssupermacht zu werden.“
Ein Grund für diese Überzeugungsoffensive ist wohl, dass die Briten sich bei einer öffentlichen Konsultation im vergangenen Jahr mit großer Mehrheit dagegen ausgesprochen hatten, die Regeln für genomeditierte Pflanzen zu lockern. Kein Wunder, dass der Pressetext dann auch vor allem darüber informiert, was sich nicht ändert: Wissenschaftler, die mit Gentechnologien forschen, müssen das Ministerium weiterhin über alle Forschungsversuche informieren. Die Sicherheit sei nicht beeinträchtigt. Erleichtert würde auch nur die Forschung an Pflanzen, „bei denen die Genomeditierung verwendet wird, um neue Sorten zu schaffen, die denen ähneln, die durch traditionelle Züchtungsverfahren langsamer hätten produziert werden können“. Gemeint sind damit Produkte neuer gentechnischer Verfahren wie Crispr/Cas, bei denen keine fremde DNA in die Pflanze eingeführt wird.
Auf Nachfrage des Portals Newscientist sagte ein wissenschaftlicher Regierungsberater, die Neuregelung sei eher symbolisch: Es werde zwei Monate weniger Zeit brauchen, bis Versuche genehmigt würden. Und die Forscher sparten pro Versuch rund 10.000 Pfund an Kosten. Die neuen Regeln sollen offenbar zunächst nur für England gelten. Man wolle damit das Signal geben, dass der erste Schritt gemacht sei, so Gideon Henderson. Der nächste sei dann, dass geneditierte Lebensmittel kommerziell angebaut und verkauft werden können. Und nach den Pflanzen komme das Vieh. Wann entsprechende Gesetze kommen sollen, ließ er offen. Er wies jedoch darauf hin, dass es mindestens fünf Jahre dauern werde, bis Lebensmittel aus den Feldversuchen auf den Markt kommen könnten.
Erst bei der gentechnikkritischen Organisation GMWatch lesen wir dann, dass die Gentechnikforscher künftig nicht mehr verpflichtet sein sollen, vor ihren Feldversuchen eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorzulegen. Die Gefahr, dass Teile gentechnisch veränderter Pflanzen das Versuchsgelände verlassen könnten, muss demnach nicht mehr untersucht werden. Das Ministerium müsse zwar noch informiert werden, die Versuche jedoch nicht mehr ausdrücklich genehmigen, so GMWatch. "Die Regierung ist immer noch wild entschlossen, den Schutz für Gesundheit und Umwelt aufzugeben, um der GVO-Industrie in England freie Hand zu lassen“, kritisiert GMWatch-Expertin Claire Robinson. Denn es gebe keine Beweise dafür, dass die durch moderne Gentechnik hervorgerufenen Veränderungen in einer Pflanze auf natürliche Weise hätten entstehen können, diese Pflanzen also konventionell gezüchteten ähnlich wären. „Tatsächlich gibt es viele Beweise dafür, dass Gen-Editing genetisches Chaos verursacht“, so Robinson. Deshalb müssten geneditierte Pflanzen genau untersucht werden, welche unbeabsichtigten Veränderungen durch den Eingriff entstanden sind, die Gesundheit oder Umwelt schädigen könnten. [vef]