Bislang 45 Organisationen rufen europaweit zu einer Petition auf, die sich gegen die Pläne der EU-Kommission wendet, die rechtlichen Regeln für bestimmte Verfahren der neuen Gentechnik zu lockern. Auch in Deutschland sind in dieser Woche die ersten Webseiten online gegangen, um Unterschriften zu sammeln. Weitere sollen folgen.
„Nicht hinter unserem Rücken: Kein Freifahrtschein für neue Gentechnik in unserem Essen!“ lautet der Titel der Petition. Wer sie unterzeichnet, fordert „die Verantwortlichen in der Politik, insbesondere Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und Bundesumweltministerin Steffi Lemke auf, sich für die Beibehaltung der Regulierung auch der neuen Gentechniken einzusetzen“. Neue gentechnisch veränderte Organismen (GVO) sollen laut Petitionstext weiterhin entsprechend dem EU-Vorsorgeprinzip auf Risiken geprüft und bewertet werden. Die neuen GVO müssen weiterhin rückverfolgbar sein und so gekennzeichnet werden, „dass Verbraucher*innen, Bäuer*innen, Züchtung, Handel und Verarbeitung sie jederzeit erkennen und vermeiden können“.
Bisher kann man in Deutschland etwa auf den Webseiten von Slowfood, der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und Save Our Seeds unterschreiben. Weitere Verbände werden in den nächsten Tagen mit ihren Webseiten folgen. Auf europäischer Ebene zählen die Bauernorganisation Via Campesino, Slowfood International und die Lobbywächter von Corporate Europe Observatory zu den Unterstützenden.
Bereits im April hatten 95 Verbände und Organisationen, vom Deutschen Tierschutzbund über Misereor bis zu den Berufsimkern ihre Position in einem gemeinsamen Papier dargelegt. Darin argumentieren sie, neue Gentechniken wie Crisp/Cas „können tief in das Erbgut lebender Organismen eingreifen und dieses grundlegend verändern“. Mit dieser neuen Dimension der Eingriffstiefe ins Genom seien große Risiken für Mensch, Tier und Umwelt verbunden. Deshalb müssten diese Verfahren, gemäß dem EU-rechtlich verankerten Vorsorgeprinzip strikt reguliert werden. So wie das der Europäische Gerichtshof 2018 entschieden hat.
Mit Papier und Petition wollen die gentechnikkritischen Organisationen auf ein Gesetzgebungsverfahren in der Europäischen Union zur neuen Gentechnik einwirken, das im Spätsommer 2021 begonnen hat. In dessen Verlauf hatten sich im Herbst 2021 70.000 EU-Bürger*innen an einer Konsultation der EU-Kommission beteiligt und sich gegen deren Fahrplan für eine Aufweichung des Gentechnikrechts ausgesprochen. Davon unbeeindruckt hat die EU-Kommission einen Fragebogen ins Netz gestellt, mit dem sie bis 22. Juli erfahren will, was Bürger*innen und Organisationen von ihren Plänen halten. Wirtschafts- und Umweltverbände halten diese Konsultation für einseitig, haben aber zur Teilnahme aufgerufen. Parallel dazu soll die Petition deutlich machen, dass die EU-Bürger*innen keine Ausnahmen für neue gentechnische Verfahren wollen. Dass dem so ist, zeigen immer wieder Umfragen. Im September 2021 befragte das Institut Forsa im Auftrag des Umweltinstituts München gut 1000 Menschen. 83 Prozent von ihnen antworteten, dass alle Gentechnikmethoden - alte und neue - genau auf ihre Risiken hin überprüft werden sollten. Der Verband Lebensmittel ohne Gentechnik ließ zu Ostern 2022 das Meinungsforschungsunternehmen Civey nach einer konkreten Anwendung der Neuen Gentechnik bei Eiern fragen. 85 Prozent der Befragten verlangten, dass Eier gentechnisch veränderter Legehennen gekennzeichnet werden müssen. [lf]