Die britische Regierung hat einen Gesetzentwurf ins Parlament eingebracht, mit dem sie die Zulassung von Produkten beschleunigen will, die mit neuen gentechnischen Verfahren hergestellt wurden. Gelten soll er vorerst nur für England. Denn Schottland und Wales wollen am bisherigen Gentechnikrecht festhalten, das dem der Europäischen Union entspricht. Auch die großen britischen Supermarktketten reagierten reserviert bis ablehnend auf den Entwurf.
Das Genetic Technology (Precision Breeding) Bill genannte Gesetz (dt. etwa Gesetz zur gentechnischen Präzisionszüchtung) sieht vor, dass diejenigen Pflanzen und Tiere keine Zulassung mehr brauchen, die mit neuen gentechnischen Verfahren so verändert wurden, wie es auch durch Züchtung oder Mutation geschehen könnte. Es genügt eine Anmeldung beim Umweltministerium, dessen beratender Ausschuss binnen 90 Tagen prüft, ob es sich um Präzisionszüchtung im Sinne dieses Gesetzes handelt. Wenn ja, wird der gentechnisch veränderte Organismus (GVO) in ein Register eingetragen und kann angebaut oder vermehrt werden. Lebens- und Futtermittel, die aus solchen GVO hergestellt werden, müssen in einem zweiten Schritt für die Vermarktung zugelassen werden. Das Gesetz ermächtigt das Umweltministerium, Verordnungen zu erlassen, die den Gesundheitsschutz oder die Rückverfolgbarkeit solcher Produkte regeln können. Wie diese Verordnungen aussehen sollen, steht im Gesetz nicht. Es sieht lediglich vor, dass die zugelassenen Produkte in ein weiteres Register eingetragen werden, das von der Lebensmittelbehörde FSA (Food Standard Agency) geführt werden soll.
Der britische Umweltminister George Eustice geht davon aus, dass das Parlament seinen Gesetzentwurf noch in diesem Jahr annehmen wird. Voraussichtlich 2023 könnten die Briten dann erste genomeditierte Lebensmittel kaufen, sagte Eustice dem Magazin inews. Dabei verwies er auf bereits in den USA oder Japan angebaute Pflanzen wie nicht-bräunende Pilze oder angeblich blutdrucksenkende Tomaten. Diese könnten dann nach ihrer Registrierung auch in England angebaut werden. Bis größere Mengen dort entwickelter Pflanzen auf den Markt kämen, werde es noch drei bis fünf Jahre dauern, zitierte inews den Minister. Die Änderungen sind auf England beschränkt, da die anderen Länder des Vereinigten Königreichs sie ablehnen.
So wies Schottland die offizielle Anfrage von Minister Eustice zurück, sich dem Gesetzesvorhaben anzuschließen. „Die schottische Regierung ist nach wie vor strikt gegen die Einführung des Gesetzes“, zitierte das Magazin Holyrood einen Regierungssprecher. Schottland werde sich die geplante Änderung der Definition von GVO nicht aufzwingen lassen, ergänzte der Sprecher. Er spielte damit auf das britische Binnenmarktgesetz an, demzufolge ein in England zugelassenes Lebensmittel auch in den anderen Ländern Großbritanniens verkauft werden darf. Auch Wales wies Eustices Ansinnen zurück. Das Gentechnikrecht ist im Vereinigten Königreich Sache der Länder England, Schottland, Wales und Nordirland.
„Die größten Supermärkte des Vereinigten Königreichs haben kühl auf die Idee reagiert, gentechnisch veränderte Lebensmittel zu verkaufen“, schrieb die Zeitschrift New Scientist. Sie hatte die elf größten Supermarktketten des Landes befragt, ob sie nach Inkrafttreten des Gesetzes genmanipulierte Lebensmittel in ihr Sortiment aufnehmen würden. Sieben antworteten gar nicht und verwiesen auf den Branchenverband BRC. Darunter waren auch die in Großbritannien aktiven Handelskonzerne Aldi und Lidl. Lediglich die Handelskette Waitrose erklärte, sie habe derzeit „keine Pläne, diese Technologie zu verwenden.“ Der Branchenverband BRC (British Retail Consortium) teilte der Zeitschrift mit, dass man zwar die Technologie und ihr Potenzial unterstütze, doch der Schlüssel zur kommerziellen Einführung sei die Unterstützung der Öffentlichkeit. „Sie wird von der Akzeptanz der Technologie durch die Kunden und einem gründlichen Verständnis der wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen abhängen", zitierte New Scientist den BRC-Sprecher Andrew Opie.
In einer Konsultation der Regierung im vergangenen Jahr sprachen sich 88 Prozent der Privatpersonen und 64 Prozent der Unternehmen gegen die geplante Gesetzesänderung aus. „Es gibt eine überwältigende Unterstützung für einen angemessenen öffentlichen Schutz, einschließlich einer klaren Kennzeichnung von Lebensmitteln, die sowohl mit alten als auch mit neueren Gentechniken hergestellt wurden“, sagte Liz O'Neill, Geschäftsführerin der gentechnikkritischen Organisationen GM Freeze. Um dies deutlich zu machen, starteten GM Freeze und Beyond GM eine Petition, dass gentechnisch veränderte Lebensmittel auch künftig gekennzeichnet werden sollen. Derweil nimmt die parlamentarische Beratung ihren Lauf. Kommenden Dienstag (14. Juni) werden die Abgeordneten des Unterhauses den Gesetzentwurf erstmals diskutieren. [lf]