Auf einer internationalen Konferenz in Berlin präsentierten Forschende vergangene Woche vielfältige Ansätze, Eingriffe durch neue gentechnische Verfahren (NGT) in Pflanzen nachzuweisen. Ihr Fazit: Es ist schwierig, aber machbar. Helfen würde es, wenn die Agrarkonzerne verpflichtet würden, Referenzmaterial ihrer gentechnisch veränderten Pflanzen (GVO) zur Verfügung zu stellen, da Wissenschaftler:innen aktuell nur nachweisen können, was sie kennen.
"Rechtssichere Analysemethoden für GVO sind ein wichtiger Faktor, um Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit sicherzustellen“, sagte Agrarstaatssekretärin Silvia Bender zur Eröffnung. Nur dann könnten sich Landwirtinnen und Landwirte sowie Verbraucherinnen und Verbraucher für oder gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel entscheiden. Der Nachweis sei ihrem Ministerium auch wichtig um zu verhindern, dass der gentechnikfreie konventionelle und biologische Ackerbau oder daraus gewonnene Lebensmittel mit GVO verunreinigt werden.
Und es besteht Hoffnung: Behördliche Kontrolleure, Wissenschaftler:innen und Wirtschaftsvertreter aus Europa, den USA, China und Japan stellten bei der Konferenz vor, wie sie Spuren winzigster Veränderungen im Pflanzengenom im Labor sichtbar machen können. Dabei nutzen sie sowohl Analyseverfahren, die das ganze Erbgut nach Änderungen durchsuchen (Genom-Sequenzierung) als auch solche, die auf einzelne Änderungen abzielen (PCR-Verfahren). Ist die gentechnische Veränderung bekannt und liegt entsprechendes Referenzmaterial vor, sei es kein Problem, sie nachzuweisen, resümiert das gentechnikkritische Portal GMWatch in seinem Tagungsbericht. Schwierigkeiten haben die Forschenden bislang, wenn sie nicht wissen, wo im Pflanzengenom was genau verändert wurde. In diesem Fall können detaillierte Datenbanken helfen. Teilweise behelfen sich die Wissenschaftler:innen auch damit, die molekularbiologischen „Instrumente“ nachzuweisen, mit denen die Gene manipuliert wurden. Das sei „technisch nicht einfach“, doch seien die Herausforderungen, „nicht unüberwindbar“, zitierte das Portal GMWatch beteiligte Expert:innen.
So arbeiten etwa Lebensmittelbehörden deutscher Bundesländer daran, herbizidresistenten Raps und eine Soja mit veränderter Fettsäurezusammensetzung der US-Unternehmen Cibus und Calyxt nachzuweisen. Die Unternehmen hatten Anfang des Jahres begonnen zu fusionieren; der Prozess soll nach Angaben der Portals Marketscreener im zweiten Quartal 2023 abgeschlossen werden. Beide Pflanzen werden in den USA bereits angebaut. Die Ergebnisse beim Nachweis des Cibus-Raps seien „vielversprechend“, hieß es bei der Konferenz. Bei dieser Pflanze ist allerdings umstritten, ob sie durch den vorgenommenen gentechnischen Eingriff verändert wurde oder das Genom zufällig mutierte. Eine Arbeitsgruppe aus behördlichen und privaten Laboren mehrerer europäischer Länder hofft, „Methoden mit höherer Spezifität“ entwickeln zu können, als das derzeit von der gentechnikfreien Lebensmittelwirtschaft verwendeten Nachweisverfahren des amerikanischen Health Research Institut. Bei Calyxt-Soja planen Mitglieder der Arbeitsgruppe noch in diesem Jahr einen ersten Ringversuch, um eine neu entwickelte Nachweismethode zu testen. Erarbeitet haben sie die Wissenschaftler:innen mit nachgebautem Erbgut, da Hersteller Calyxt kein Referenzmaterial zur Verfügung gestellt hat. Inzwischen produziert er diese Soja selbst nicht mehr. Der Infodienst hat über beide Projekte bereits berichtet.
Das gilt auch für eine Machbarkeitsstudie zu Nachweis- und Identifizierungsverfahren für genomeditierte Pflanzen, welche die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) im Frühjahr 2020 ausgeschrieben hatte. Seit 2021 forschen das Leibniz Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung sowie die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel in ihrem Auftrag zum Nachweis genomeditierter Gerste- und Rapslinien. Das Projekt läuft laut BLE noch bis 30. April. Bei der Tagung hat ein Kieler Wissenschaftler, wie zu hören war, ein Nachweisverfahren für eine Rapslinie vorgestellt, die sein Team zuvor selbst mit dem neuen gentechnischen Verfahren Crispr/Cas entwickelt hatte. Man könne mit dem Test aber nicht unterscheiden, ob die Gene durch menschlichen Eingriff oder durch natürliche Mutation verändert wurden, räumte er ein.
Für Wirtschaftsunternehmen wäre das aber wichtig, wenn sie nachweisen wollen, dass sie einen GVO selbst entwickelt haben – etwa um ein Patent zu beantragen oder Lizenzen zu kassieren. Das US-Unternehmen Corteva baut deshalb bewusst Marker in seinen gentechnisch veränderten „waxy" Mais ein, um ihn von herkömmlichem Wachsmais unterscheiden zu können. Auch Vertreter:innen der Gentechnikkonzerne BASF und Syngenta bestätigten dem Vernehmen nach beim Kongress, dass die Hersteller der NGT-Pflanzen selbst Nachweismethoden bräuchten. Sie spielten in der Forschungs- und Entwicklungsphase der Pflanzen eine Rolle, aber auch später für Zulassungsverfahren und den internationalen Handel. Doch offenbar ist die Bereitschaft eher begrenzt, diese Methoden staatlichen (Kontroll-)Behörden zur Verfügung zu stellen. Das Vorgehen der Konzerne, Sequenzinformationen und Referenzmaterial zu verweigern, aber andererseits eine Deregulierung der deshalb schwer nachweisbaren NGT-Organismen zu fordern, „entspricht nicht meinem Verständnis von Transparenz“, kritisierte denn auch Silvia Bender, Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium.
„Alle Institute, die in der EU gentechnisch veränderte Pflanzen entwickeln, könnten auch Nachweismethoden für sie entwickeln, da sie genau wissen, was in ihnen steckt“, konstatierte Franziska Achterberg, Mitarbeiterin der grünen Fraktion im Europaparlament, nach der Konferenz. Unklar sei, ob die Entwickler in Belgien, Schweden und Spanien, deren NGT-Pflanzen bereits auf Versuchsfeldern wachsen, an Nachweismethoden arbeiteten. „Eigentlich sollten die Behörden dies verlangen, bevor sie einen Feldversuch genehmigen, oder solche Forschungsvorhaben mit öffentlichen Geldern fördern“, forderte Achterberg. Ihrem Eindruck nach bemühen sich nur sehr wenige Behörden in der Europäischen Union, das geltende Gentechnikrecht umzusetzen. Die Arbeit werde anscheinend vor allem in Deutschland gemacht.
„Die Konferenz hat gezeigt, wie wichtig Kooperationen im Bereich der Nachweisverfahren und -anstrengungen sind“, kommentierte Jutta Jaksche, die für den Verbraucherzentrale Bundesverband teilgenommen hat. „Nur wenn Import- und Exportländer verlässliche Organisationen, entsprechendes Equipment und standardisierte Methoden haben, kann der Austausch von Lebensmitteln unterschiedlicher Produkt– und Prozessqualitäten zukünftig gelingen.“ Bundesregierung und Europäische Kommission müssten dafür sorgen, dass klassische wie neue Gentechnik verlässlich nachgewiesen werden könne, forderte Jaksche. Nach Angaben des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit als Mitveranstalter soll es noch einen offiziellen Tagungsbericht geben, Erscheinungstermin offen. [lf/vef]