Zweimal fanden deutsche Behörden in den vergangenen zwölf Monaten Nudeln aus illegalem, gentechnisch verändertem Reis. Sie informierten die europäischen Kolleg:innen, doch die deutschen Verbraucher:innen erfuhren nichts von den Funden und es gab auch keine öffentlichen Rückrufe. Alles sei korrekt gelaufen, sagen die Behörden.
Mit dem europäischen Schnellmeldesystem RASFF informieren sich die Überwachungsbehörden der EU-Mitgliedsstaaten gegenseitig über problematische Funde in Lebensmitteln. Dort finden sich Hinweise auf Salmonellen in Gemüse, Metallteile im Rahmspinat, nicht erlaubte Pestizide im Paprika oder nicht ausgelobte Allergene. Am 11. Januar 2023 meldete Deutschland im RASFF: „Nicht zugelassene, gentechnisch veränderte Organismen in Reisnudeln aus Thailand, via die Niederlande“. Zuvor hatte es bereits am 12. September 2022 eine deutsche Meldung gegeben: „Nicht zugelassene gentechnisch veränderte Reisnudeln aus Vietnam“. In beiden Fällen stammten die Funde von der Lebensmittelüberwachung in Baden-Württemberg. Sie gingen zurück auf Proben, die am 27. September 2022 und am 12. Mai 2022 genommen worden waren. Es lagen also jeweils vier Monate zwischen der Probenahme und der Mitteilung, dass dabei nicht zugelassene, gentechnisch veränderte Organismen (GVO) gefunden worden waren. In beiden Fällen wurde die Öffentlichkeit nicht über das dafür vorgesehene Portal lebensmittelwarnung.de informiert. Auch sind keine Hinweise über andere Portale bekannt.
Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) bestätigte auf Nachfrage, Lebensmittel mit einem nicht zugelassenen GVO seien nicht verkehrsfähig. Sie dürfen also nicht angeboten und verkauft werden. Allerdings liege „die Verantwortung zur Kontrolle des zulässigen Inverkehrbringens und die Durchsetzung geeigneter Maßnahmen bei Nichteinhaltung“ bei den zuständigen Behörden der einzelnen Bundesländer, schrieb das BVL. Die Frage, ob es für den Fall eines Fundes von nicht zugelassenen GVO in Lebensmitteln ein mit den Länderbehörden abgesprochenes einheitliches Vorgehensschema gebe, beantwortete die Behörde nicht.
Das für die Lebensmittelüberwachung in Baden-Württemberg zuständige Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) antwortete, die RASFF-Meldungen resultierten „jeweils aus einer Probenahme im Restaurant/Einzelhandel. Dort war kein Warenbestand mehr vorhanden bzw. wurde aus dem Verkauf genommen. Weitere Maßnahmen waren daher unter der Maßgabe der Verhältnismäßigkeit (konkreter Sachverhalt, Lieferdatum, Liefermenge …) nicht anzeigt.“
Nun könnte eine Behörde davon ausgehen, dass der entdeckte illegale GVO auch in anderen Nudeln der gleichen Produktionscharge vorkommt und diese womöglich über gleichartige Verkaufsstätten im eigenen Land und im ganzen Bundesgebiet vertrieben werden und auch monatelang in Vorratsschränken von Verbraucher:innen lagern. Es könnte also durchaus ein öffentliches Interesse an einer Warnung bestehen. Man habe mittels RASFF-System „alle notwendigen Informationen an die für den Importeuer/Großhändler zuständige Behörde in den Niederlanden weitergeleitet, damit von dort weitere Maßnahmen veranlasst werden konnten“, antwortete das MLR. Tatsächlich findet sich im RASFF in Bezug auf die thailändischen Reisnudeln der Hinweis, dass sie außer in Deutschland auch in den Niederlanden, Luxemburg, Österreich, Frankreich, Ungarn, Italien, Belgien, Rumänien und Irland vertrieben wurden. Einige dieser Länder informierten über ergriffene Maßnahmen. In Deutschland passierte laut RASFF nichts mehr.
Geregelt ist die Information der Öffentlichkeit in Paragraf 40 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs. Demnach soll die Öffentlichkeit informiert werden, wenn gegen Vorschriften verstoßen wurde „die dem Schutz der Endverbraucher vor Gesundheitsgefährdungen dienen“. Die Meldungen im RASFF waren als „potentielles Risiko“ eingestuft, also ebenso hoch wie nicht deklarierte Allergene oder Rückstände unerlaubter Pestizide, die in der Regel zu Rückrufen führen. Zudem heißt es in Paragraf 40 Absatz 1a, dass zu informieren ist, wenn im Lebensmittel ein nicht zugelassener oder verbotener Stoff vorhanden ist. Das MLR erklärte dazu, dass für solche Mitteilungen in Baden-Württemberg Landkreise und Städte zuständig seien und nicht die Länderbehörden. Außerdem seien nach Auffassung des Ministeriums GVO kein „Stoff“ im Sinne dieser Norm.
Das gentechnikkritische französische Portal Inf'OGM hatte sich bei einem thailändischen Biologen erkundigt und von diesem die Information bekommen, dass es in Thailand keine Feldversuche mit gentechnisch verändertem Reis gebe und auch kein illegaler Anbau bekannt sei. Er vermutete, dass für die Nudeln importiertes Reismehl verwendet worden sei. Reismehl aus Indien etwa war in Europa bereits 2021 wegen gentechnischer Verunreinigungen aufgefallen und hatte zu einem länderübergreifenden Rückruf von Schokolinsen geführt (der Infodienst berichtete). Im Mai 2023 meldete der spanische Zoll, dass man 48 Tonnen indische Reismehlproteine, die als Futtermittel deklariert waren, aus dem Verkehr gezogen habe, da sie einen nicht zugelassenen GVO enthielten. Nach Recherchen von Inf’OGM bestritten die indischen Behörden ihre Verantwortung und reagierten auch nicht auf offizielle Anfragen der Europäischen Kommission, die die Hersteller der Reisprodukte ermitteln wollte. [lf]