Der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments hat heute seinen Bericht zum Verordnungsvorschlag der Kommission zu neuen getechnischen Verfahren (NGT) beschlossen. Er hat dabei alle Vorstöße für eine Kennzeichnung von NGT-Produkten, für Koexistenz- und Haftungsregelungen sowie nationale Ausnahmen abgelehnt. Bio bleibt zumindest für die nächsten Jahre NGT-frei. Nun muss Anfang Februar das Plenum des Parlaments über die Position abstimmen.
Im Vorfeld der Ausschusssitzung hatten sich die Fraktionen von Rechten, Konservativen und Liberalen auf Kompromisstexte zu wichtigen Punkten des Entwurfs geeinigt, die sie bei den Einzelabstimmungen mit ihrer Mehrheit durchsetzten. So scheiterte ein Vorstoß von Sozialisten und Grünen, Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung für Lebensmittel aus NGT-Pflanzen der Kategorie 1 in der Verordnung zu verankern mit 36 zu 49 Stimmen. Ein Antrag, mit dem Sozialisten, Grüne und Linke die EU und die Mitgliedsstaaten zu Koexistenzmaßnahmen bei allen NGT-Pflanzen verpflichten wollten, wurde mit 40 zu 45 Stimmen abgelehnt. Keine Mehrheit erhielten die drei Fraktionen für den Antrag, einen von den NGT-Anbietern zu füllenden Entschädigungsfonds für Verunreinigungen einzuführen (36 zu 50 Stimmen). Ebenso scheiterte der Vorschlag, nationale Verbote (Opt-out) zuzulassen, wie sie für den Anbau alter Gentechnikpflanzen möglich sind (37 zu 48 Stimmen).
Heiß diskutiert wurde im Vorfeld der Sitzung der Vorschlag der federführenden Berichterstatterin Jessica Polfjärd von der Europäischen Volkspartei (EVP), NGT auch für den Ökolandbau zuzulassen. Hier einigte sich die EVP mit Rechten und Liberalen darauf, das von der Kommission vorgesehene NGT-Verbot für den Ökolandbau zu belassen. Allerdings ergänzten sie es um einen Auftrag an die EU-Kommission. Sie soll in sieben Jahren berichten, wie sich die Wahrnehmung der Verbraucher und der Hersteller entwickelt hat und gegebenfalls einen Vorschlag vorlegen, um die Verordnung in diesem Punkt zu ändern. Ebenfalls neu in die Verordnung soll ein Zusatz, wonach unabsichtliche oder technisch unvermeidbare NGT-Verunreinigungen in Bio-Lebensmitteln nicht als Verstoß gegen die EU-Ökoverordnung gewertet werden. Diese Regelung ist zwiespältig: Sie gibt Ökobetrieben eine gewisse Sicherheit, da sich angesichts fehlender Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit NGT-Verunreinigungen kaum vermeiden lassen. Gleichzeitig werden NGT-Verunreinigungen in Bio-Lebensmittel damit ein Normalfall ohne weitere Konsequenzen, was die Glaubwürdigkeit gefährdet. Angenommen mit 47 zu 35 Stimmen.
Beim ebenfalls umstrittenen Thema NGT-Patente stimmte eine große Koalition ohne die Grünen mit 70 zu 13 für einen zusätzlichen Verordnungsartikel, der erklärt, dass NGT-Pflanzen nicht patentierbar seien. Gleichzeitig soll diese Regelung auch in der Biopatente-Richtlinie der EU verankert werden. Verabschiedet wurden von der Ausschussmehrheit auch zahlreiche Einzelregelungen, die NGT-Pflanzen noch stärker deregulieren, als es die Kommission vorschlägt. Abschließend wurde der Bericht von 47 Abgeordneten beschlossen, bei 31 Gegenstimmen und vier Enthaltungen.
„Das Ergebnis ist eine mittlere Katastrophe für Umwelt und Verbraucherschutz. Wenn bei der Plenarabstimmung in zwei Wochen das Ergebnis genauso aussehen wird, sehe ich schwarz für einen regulierten Umgang mit der Neuen Gentechnik in der Landwirtschaft“, kommentierte der grüne Europaabgeordnete und Biobauer Martin Häusling die Abstimmung. Auch sei die Patentfrage mit dem abgestimmten Text keinesfalls gelöst. „Der Text ist eine bloße Positionierung, die, wenn auch gut, rechtlich nicht bindend ist“. Nun wird, derzeit geplant für Mittwoch, den 7. Februar, das Plenum des Parlaments über diese Vorlage entscheiden.
Das Ergebnis der Abstimmung im Ausschuss habe gezeigt, dass die wichtigsten Bedenken zu diesem umstrittenen Legislativvorschlag unbeantwortet blieben. Die sei die unvermeidliche Folge eines übereilten Gesetzgebungsverfahrens, schrieb der Bio-Dachverband Ifoam Europe Organics und drängte darauf, die Abstimmung im Plenum zu verschieben. „Ein längerer Zeitraum ist wichtig, um entpolitisierte, parteiübergreifende Diskussionen zu fördern, die die Bedenken in Bezug auf Biosicherheit, Patente und die Schaffung eines soliden Rahmens, der die Wahlfreiheit für Erzeuger und Verbraucher unterstützt, angemessen berücksichtigen“, heißt es in der Ifoam-Mitteilung.
Das Votum des Ausschusses sei noch längst keine endgültige Entscheidung, kommentierte der Verband Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG). Die Europaabgeordneten „sollten sich von diesem Votum nicht beirren lassen und sich zur Abstimmung im Februar ihre eigene Meinung bilden“, sagte VLOG-Geschäftsführer Alexander Hissting. Er kritisierte den EVP-Fraktionschef Manfred Weber von der CSU, der ein Gespräch mit der vom VLOG initiierten Unternehmensinitiative für Wahlfreiheit bei Gentechnik im Essen bisher abgelehnt hatte. Es sei enttäuschend, dass „die bayerischen CSU-Europaabgeordneten gegen Kennzeichnung, Risikoprüfung und Koexistenzregeln gestimmt haben – während ihre Partei sich in Bayern wie eh und je als Vorkämpferin der Gentechnikfreiheit inszeniert“, sagte Hissting. Er ist weiterhin optimistisch: „Die Mehrheit im Umweltausschuss war nicht überwältigend. Unter den Mitgliedsstaaten ist der Widerstand gegen die Abschaffung von Gentechnik-Kennzeichnung und Koexistenzmaßnahmen weiter stabil“.
Im Agrarrat stemmt sich eine Sperrminorität der Mitgliedsstaaten, darunter Deutschland, gegen den Kommissionsvorschlag. Der belgischen Ratspräsidentschaft ist es bisher nicht gelungen, diese Länder zu überzeugen. Bei der gestrigen Sitzung der Agrarminister stand das Thema gar nicht erst auf der Tagesordnung. Im Arbeitsprogramm, das der belgische Landwirtschaftsminister David Clarinval gestern seinen Kolleg:innen vorstellte, heißt es zurückhaltend: „Die Präsidentschaft wird die Diskussionen über neue Gentechnologien fortführen“. [lf]