Bei dem NGT-Wein im Feldversuch dagegen handelt es sich um eine Chardonnay-Rebe. In deren Erbgut hat Mario Pezzotti, Professor für Pflanzengenetik an der Universität Verona, mit Hilfe des Verfahrens Crispr-Cas9 ein Gen der DMR6-Familie verändert. Diese Gene – das Weinerbgut enthält zwei davon - machen Pflanzen anfällig für Pilzinfektionen. Werden sie mit Hilfe von NGT ausgeschaltet, produzieren die Pflanzen mehr Salicylsäure und werden dadurch widerstandsfähiger gegen die Infektion. Die Forschenden haben in einer Einzelzelle ein DMR6-Gen geändert und aus dieser Zelle anschließend NGT-Reben großgezogen. Diese wurden im Oktober 2024 auf einem Grundstück der Universität in der Weinbauregion Valpolicella gepflanzt und sollen dort die nächsten vier Jahre wachsen. Laut Genehmigungsunterlagen ist das Versuchsfeld 250 Quadratmeter groß. Die Erlaubnis erstreckt sich auch auf einen zweiten Standort in der Region Padua mit 500 Quadratmetern. An beiden Orten sollen jeweils 15 NGT-Reben und 15 Kontrollpflanzen stehen.
Die italienische Genehmigungsbehörde hat noch einen weiteren Versuch mit Gentechnik-Reben genehmigt. Beantragt hat ihn das Weinbauinstitut Fondazione Edmund Mach aus dem Trentino. Dessen Forschende haben bei einer Chardonnay-Rebe nicht nur eines, sondern beide DMR6-Gene ausgeschaltet, die im Wein vorkommen. Das soll verhindern, dass der Schadpilz Plasmopara viticola, der den falschen Mehltau verursacht, die Resistenz schnell überwindet. Ab Mai 2025 sollen 80 Pflanzen (NGT-Reben und Kontrollpflanzen) auf einem 600 Quadratmeter großen Standort angebaut werden. Die Zeitschrift Nature berichtete, dass auch das staatliche italienische Weinforschungsinstitut CREA-VE an solchen pilzresistenten NGT-Reben arbeitet. Französische Weinforschende haben ebenfalls das DMR6-Gen abgeschaltet. Sie erwähnen, dass dies die Reben widerstandsfähiger machte, sie aber auch weniger gut wuchsen.
Der falsche Mehltau ist eine der wichtigsten Krankheiten im Weinanbau und der Grund dafür, dass konventionelle Winzer mehrmals im Jahr Fungizide spritzen, also pilztötende Pestizide. Nach Angaben der EU entfallen 60 Prozent des Fungizideinsatzes in der EU auf den Weinbau. Da ökologisch arbeitende Winzer:innen bei Pilzbefall nur auf Kupfer als Wirkstoff zurückgreifen können, haben sie schon vor 30 Jahren begonnen, gegen Pilze widerstandsfähige Reben (Piwi) zu züchten. Inzwischen gibt es zahlreiche Piwi-Sorten für weiße und rote Weine auf dem Markt. Doch erwies es sich als schwierig, die auf bekannte Sorten wie Riesling oder Chardonnay fixierten Weintrinker:innen von Regent oder Sauvignac zu überzeugen. Um die gentechnikfreie Züchtung weiter voranzubringen und die Kund:innen von Piwis zu überzeugen, finanziert die EU aktuell das Projekt GrapeBreed4IPM mit fünf Millionen Euro.
Vermarktbare Weine aus NGT-Trauben werden dagegen noch lange nicht in den Fässern reifen. Aus Sicht der Forschenden aus Verona hätten solche Trauben den Vorteil, dass das Erbgut bekannter und gut eingeführter Sorten verändert wurde. Mario Pezzotti hat deshalb mit seiner Kollegin Sara Zenoni eine Privatfirma, EdiVite, gegründet, die das an der Universität erarbeitete Wissen zu Geld machen soll. Ziel ist, die für Chardonnay entwickelte Genomeditierung in möglichst vielen Weinsorten anzuwenden. Das Verfahren, um die editierten Zellkulturen großzuziehen, habe man bereits für rund ein Dutzend nationaler und internationaler Rebsorten optimiert, sagte Pezzotti in einem Interview mit dem Community Plant Variety Office (CPVO): „Die notwendige Pipeline ist vorhanden; die nächsten Schritte sind weitere Versuche durchführen, weitere Versuchsfelder errichten und die Klone registrieren, sobald die europäischen Vorschriften dies zulassen.“ [lf]