Weizen - noch gentechnikfrei (Foto: Moshehar, https://pixabay.com/de/photos/weizen-brot-getreide-roggen-stroh-3120580/, https://pixabay.com/de/service/license-summary/)

Wertschätzung

Finden Sie diese Nachricht hilfreich? Unterstützen Sie unsere Arbeit mit einer Spende.

Leiser Abschied vom Gentech-Weizen HB4

Das argentinische Unternehmen Bioceres hat mitgeteilt, dass es die Züchtung und Saatgutproduktion seines gentechnisch veränderten Weizens HB4 an Partnerfirmen abgibt und sich auf die Entwicklung neuer gentechnischer Veränderungen konzentrieren will. Mehrere lateinamerikanische Umwelt- und Kleinbauernorganisationen forderten Bioceres auf, das Scheitern der HB4-Technologie einzugestehen und sie endgültig vom Markt zu nehmen.

Mitte Februar hatte Bioceres die Finanzergebnisse für die ersten beiden Quartale (bis 31.12.2024) seines Geschäftsjahres 2024/2025 vorgelegt. Es teilte dabei einen Umsatzrückgang von 22 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum mit. Der Nettogewinn schrumpfte auf ein Viertel zusammen. Als Ursachen nannte das Unternehmen die Schwierigkeiten auf dem argentinischen Agrarmarkt und zurückgehende Verkäufe von HB4-Saatgut. Gleichzeitig teilte das Unternehmen mit, es wolle sich im Saatgutbereich darauf konzentrieren, patentierte Saatguteigenschaften bis zur Marktzulassung zu entwickeln. „Wir haben die strategische Entscheidung getroffen, uns aus der Züchtung, der Saatgutproduktion und dem Saatgutvertrieb zurückzuziehen und stattdessen Partnerschaften mit Branchenführern einzugehen, die für diese Aktivitäten besser strukturiert sind“, heißt es in der Mitteilung.

Konkret bedeutet das: Um die weitere Entwicklung der HB4-Saatguteigenschaft (ein Sonnenblumengen, das die Pflanzen widerstandsfähiger gegen Dürre machen soll) soll sich bei Weizen künftig Trigall Genetics kümmern. Die Firma ist ein Gemeinschaftsunternehmen von Bioceres und dem französischen Saatgutkonzern Florimond Desprez. Bisher hatte sich Trigall in Argentinien und Australien auch in der konventionellen Weizenzucht engagiert. Diese Aktivitäten werden aufgegeben. Die HB4-Rechte für Weizen will Bioceres künftig über Lizenzen direkt an interessierte Partner weitergegeben. Das Unternehmen hatte HB4 auch in Sojabohnen eingekreuzt und dafür bereits 2013 das Gemeinschaftsunternehmen Verdeca zusammen mit dem US-Unternehmen Arcadia Bioscience gegründet. Nun soll der langjährigen Partner GDM Seeds, einer der größten Sojasaatguthändler Lateinamerikas, mit Verdecas Plattform von patentierten Soja-Eigenschaften weiterarbeiten – allerdings an anderen Eigenschaften als HB4. Denn die HB4-Sojabohne sei nie auf den Markt gebracht worden, da China, als größter Sojaabnehmer erst 2022 eine Zulassung dafür erteilte, schrieb das Landwirtschaftsmagazin Bichos de Campo. Dem Aktienkurs half die neue Strategie nicht weiter, er sank nach deren Ankündigung weiter. Binnen eines Jahres hat Bioceres, dessen Aktien an der US-Börse Nasdaq gelistet sind, drei Viertel seines Wertes eingebüßt.

Mit der Konzentration auf patentierte Saatguteigenschaften geht Bioceres einen Weg, den bereits die US-Unternehmen Calyxt (inzwischen Teil von Cibus) und Pairwise beschritten haben. Beide hatten, wie Bioceres, die Erfahrung gemacht, dass es relativ einfach ist, Pflanzeneigenschaften gentechnisch zu verändern. Viel schwieriger jedoch ist es, diese Pflanzeneigenschaften auch zu vermarkten. Denn dazu müssen sie in Hochleistungssorten eingekreuzt werden und die neuen gentechnisch veränderten Pflanzen in Feldversuchen beweisen, dass sie nicht nur im Labor entsprechende Erträge bringen. Zudem braucht es in wichtigen Exportländern Marktzulassungen, Vermarktungsstrukturen und die Akzeptanz der Verbraucher:innen.

Diese Akzeptanz fehlt auch in Lateinamerika. Mehrere Organisationen forderten das Unternehmen auf, seinen Gentech-Weizen ganz vom Markt zu nehmen. Die bereits erteilten Anbaugenehmigungen in Argentinien, Brasilien und Paraguay sollten widerrufen werden, verlangten sie. Denn diese Genehmigungen seien ohne öffentliche Konsultationsprozesse erfolgt und hätten Umweltrechte mißachtet. Denn HB4-Weizen ist gegen das Herbizid Glufosinat resistent, das in der EU wegen seiner Giftigkeit nicht mehr zugelassen ist. Die Organisationen prangerten auch an, dass es bis heute keine validierte öffentliche Messmethode gebe, mit der sich HB4-Verunreinigungen in der Lebensmittelkette nachweisen ließen, berichtete das Nachrichtenportal Tierra Viva. Zwar hätten große argentinische Unternehmen mitgeteilt, sie würden keinen HB4-Weizen einsetzen. Dennoch lande HB4-Weizen ohne Kennzeichnung in Bäckereien, Nudelfabriken und Pizzerien. 

Wieviel Weizen es ist, weiß übrigens niemand genau. Es gab in letzter Zeit weder von Bioceres noch von argentinischen Behörden Mitteilungen über Anbauflächen und Ernten. Für die Saison 2021/22 teilte das Landwirtschaftsministerium mit, HB4-Weizen sei auf 53.000 Hektar Fläche angebaut worden und der Ertrag habe ein Drittel unter dem argentinischen Durchschnittgelegen. Die Zeitung Buenos Aires Times zitierte im September 2024 aus einer Meldung der Finanzagentur Bloomberg Bioceres-Chef Federico Trucco mit den Worten, HB4 sei in der Saison 2023/24 auf mehreren Hunderttausend Hektar in Argentinien angebaut und von rund 20 Mühlen verarbeitet worden. Noch immer sind in Argentinien und Brasilien Klagen gegen HB4-Weizen anhängig, wie Tierra Viva berichtete. Am weitesten gediehen ist das Verfahren in Argentinien, wo der Oberste Gerichtshof der Weizenanbau-Provinz Buenos Aires entscheiden muss, ob die Zulassung des Weizens den Gesetzen entsprach. [lf]

Wir nehmen Datenschutz ernst!
Unsere Seiten nutzen in der Grundeinstellung nur technisch-notwendige Cookies. Inhalte Dritter (YouTube und Google Maps) binden wir erst nach Zustimmung ein.
Cookie-Einstellungen | Impressum & Datenschutz

OK