Neue Gentechnik bei Nutztieren: Riskant für Umwelt, Tier und Mensch

Das Institut Testbiotech hat den Einsatz neuer gentechnischer Verfahren (NGT) bei landwirtschaftlich genutzten Wirbeltieren kritisch bewertet. Es plädiert dafür, die gesetzlichen Hürden für entsprechende Anwendungen und deren Vermarktung sehr hoch anzusetzen. Nur so könnten Umwelt, Menschen und Tiere hinreichend geschützt werden. Im Gegensatz zu Testbiotech sehen die Gentechnikexpert:innen der EU-Lebensmittelbehörde EFSA bei NGT-Verfahren bei Nutztieren keine neuen Risiken.

Testbiotech weist in seinem Bericht darauf hin, dass (anders als bei Mikroorganismen und Pflanzen) bei Säugetieren und Menschen weite Teile des Erbguts besonders gut gegen Mutationen geschützt sind. Denn bei ihnen können selbst kleine Veränderungen im Genom schwere Krankheiten wie Krebs auslösen. Das mache es für die konventionelle Zucht schwierig, neue Genvarianten und Eigenschaften einzuführen. „Mithilfe der NGT-Verfahren können viele neue Genvarianten (Mutationen) und neue Genkombinationen herbeigeführt werden, die bisher im Genpool der Züchtung nicht vorhanden sind“ schreibt Testbiotech. Aufgrund dieser tiefen, durch herkömmliche Züchtung nicht möglichen Eingriffe ins Erbgut sei es „unerlässlich, Genvarianten, die bei NGT-Tieren erzeugt werden, eingehend auf beabsichtigte und unbeabsichtigte Effekte zu untersuchen“. Als ein Beispiel nennt der Bericht karpfenartige Fische, die mit NGT so verändert wurden, dass sie keine der für Verbraucher:innen lästigen Gräten zwischen den Muskeln mehr aufweisen. Durch den Eingriff änderten sich ungewollt auch Inhaltsstoffe im Muskelfleisch. Das NGT- Verfahren Crispr/Cas kann bei Tieren auch tiefgreifende Störungen des Genoms auslösen, bei denen viele Abschnitte des Erbguts vertauscht, verdreht und neu kombiniert werden oder auch verloren gehen. Crisprthripsis nenen Fachleute diesen Effekt.

Ein häufiger NGT-Eingriff bei Nutztieren zielt auf das Gen, das die Produktion des Proteins Myostatin steuert. Dieses Eiweiß regelt das Muskelwachstum. Wird das Gen blockiert und kein Myostatin gebildet, wächst die Muskelmasse und damit der Fleischertrag stark an. Da Myostatin aber auch in andere Stoffwechselprozesse eingebunden ist, kann dessen Wegfall ungewollte Folgen haben. Diese reichen von veränderten Wirbeln bei Fischen über entzündliche Hautkrankheiten bei Rindern bis zu Krebserkrankungen bei Schweinen. Doch auch ohne diese möglichen Nebenwirkungen hätten die Tiere Probleme mit der großen Muskelmasse – denn ihr Skelett, das die schwereren Muskeln tragen muss, wächst nicht mit. Dadurch steigt die Gefahr von schmerzhaften Knochendeformationen.

Tierleid verursachen auch die NGT-Eingriffe selbst. Die gentechnischen Veränderungen erfolgen an der befruchteten Eizelle, den Keimzellen oder an einem frühen Embryo. Die geänderten Eizellen oder Embryonen werden dann Leihmüttern eingesetzt. Oft gebären sie dabei Nachkommen, bei denen die gewünschte Änderung nur in einzelnen Organen auftritt oder die unerwünschte Änderungen aufweisen. Deshalb brauche es mehrere Anläufe, „um die gentechnischen Veränderungen stabil in einer Zuchtpopulation zu verankern“, schreibt Testbiotech.

Dabei kann es passieren, dass sich neben der erwünschten auch unerwünschte Eigenschaften fest verankern – ohne dass sie entdeckt werden. Als Beispiel nennt der Bericht die Entwicklung hornloser Rinder in den USA. Dabei stellte sich erst nachträglich heraus, dass ungewollt auch bakterielle Gene sowie eine Antibiotikaresistenz in das Erbgut der Tiere übertragen wurde. Sie mussten deshalb getötet werden. Würde ein solcher Erbgutfehler übersehen, könnte er sich schnell in ganzen Populationen ausbreiten, warnt Testbiotech. Denn mit dem Sperma etwa eines Zuchtebers oder eines Zuchtbullen werden oft Zehntausende Muttertiere besamt.

„Im Hinblick auf Tierschutz, Tierwohl und Tiergesundheit sollte der Gesetzgeber die Hürden für entsprechende Anwendungen und deren Vermarktung sehr hoch ansetzen“, lautet das Fazit des Berichts. Auch sollten Patente auf die gentechnische Veränderung von Tieren zum Zwecke der Nahrungsmittelerzeugung verboten werden. Zudem solle die EU sicherstellen, „dass neben der Risikoforschung und Risikoprüfung auch eine vorausschauende Technikfolgenabschätzung gesetzlich verankert wird“.

Tatsächlich sieht es derzeit nach dem Gegenteil aus. Die EU-Lebensmittelbehörde EFSA hatte im Januar 2025 ein Gutachten über Risiken vorgelegt, die auftauchen können, wenn NGT bei Tieren angewandt werden. Darin argumentierten die Gentechnikexpert:innen der EFSA ähnlich wie schon bei der Risikobewertung von NGT-Pflanzen. Solange kein fremdes gentechnisches Material eingeführt, sondern nur einzelne Gene im Erbgut geändert würden, gebe es auch keine neuen Risiken. Inzwischen ist die öffentliche Konsultation zu dem Gutachten abgeschlossen. Im Juni 2025 soll die endgültige Fassung vorliegen. Bei den NGT-Pflanzen begann die heiß diskutierte Deregulierung ebenfalls mit einem solchen Gutachten. [lf]

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