Der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter will mit Hilfe der Genschere Crispr/Cas einen pilztoleranten Weizen züchten. Er nutzt das Vorhaben, um für neue gentechnische Verfahren zu werben und für eine Aufweichung der EU-Gentechnikverordnung. Der geplante Weizen soll nach den Vorstellungen der Züchter ohne Risikoüberprüfung und Kennzeichnung angebaut werden.
Pilton nennt der Verband das Projekt, zu dem sich 54 seiner Mitglieder zur Gemeinschaft zur Förderung von Pflanzeninnovation e. V. (GFPi) zusammengeschlossen haben. Sie wollen Weizensorten mit einer multiplen und dauerhaften Pilztoleranz züchten. Also Pflanzen die mehreren Pilzkrankheiten gleichzeitig widerstehen können und deren Toleranz von den Pilzen nicht durchbrochen werden kann. Dazu wollen sie ein Gen verändern, das die Abwehr des Weizens gegen Pilzangriffe steuert. Dieses Gen fährt die Abwehr einige Zeit nach der Infektion wieder herunter und lässt dem Pilz Raum. Warum die Natur das so eingerichtet hat, thematisieren die Züchter nicht. Statt dessen präsentieren sie einen Crispr-Eingriff, der das regulierende Gen abschalten soll, damit die Pflanze ihre Abwehrantwort länger fortsetzt.
Im Video auf der Pilton-Webseite ist von einer „Projekt-Idee“ die Rede, an der im Labor eines Mitgliedsunternehmens „seit Anfang des Jahres“ gearbeitet werde. Gemeint ist damit der deutsche Konzern KWS Saat, der seit langem mit Zuckerrüben in der alten Gentechnik aktiv ist und nach eigenen Angaben der viertgrößte Anbieter von landwirtschaftlichem Saatgut weltweit ist. Auch wenn Pilton erste konkrete Ergebnisse bereits im Sommer 2021 erwartet: Es dürften noch einige Jahre dauern, bis diese Züchtung soweit gediehen ist, dass sie das Labor in Richtung Freiland verlassen könnte. In der aktuellsten Investorenpräsentation der KWS vom Mai 2020 ist ein pilzresistenter Weizen mit keinem Wort erwähnt.
Der Züchterverband nutzte die Vorstellung seines Projekts zu einem Angriff auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs von 2018, wonach mithilfe neuer gentechnischer Verfahren entwickelte Pflanzen als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) einzustufen sind. Die damit verbundenen Auflagen und Konsequenzen würden eine Anwendung der neuen Methoden derzeit praktisch unmöglich machen, klagte die Verbandsvorsitzende Stephanie Franck: „Nach wissenschaftlicher Erkenntnislage gibt es keinen Grund, Pflanzen, die sich nicht von klassisch gezüchteten unterscheiden oder auch natürlicherweise vorkommen könnten, als GVO zu regulieren. Die Gesetzgebung muss entsprechend angepasst werden“, forderte sie. Noch ein anderes rechtliches Thema wollen die Züchter mit Pilton angehen. Sie wollen klären, wie angesichts des Patentschutzes für Verfahren wie Crispr&Co und den daraus resultierenden Lizenzbestimmungen Pflanzenzüchter sinnvoll mit diesen Verfahren arbeiten können.
Daniela Wannemacher, Leiterin Gentechnikpolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) erinnerte die Züchter daran, dass über 80 Prozent der Menschen in Deutschland Gentechnik ablehnen. „Ihnen jetzt einen Genom-editierten Crispr-Weizen als Lösung des Pestizidproblems zu verkaufen, hat deutlich was von unterjubeln“, sagte Wannemacher. Zudem sei es nicht einfach, eine Widerstandsfähigkeit gegen Pilze gentechnisch herzustellen. „Der Ökolandbau beweist außerdem seit Jahren, wie viel wichtiger das Anbaumanagement dafür ist, Pilzbefall klein zu halten“.
„Wer den Menschen Crispr-Brot schmackhaft machen möchte, darf das nicht über Verschleierung der Produkte versuchen“, kommentierte Alexander Hissting, Geschäftsführer des Verbandes Lebensmittel Ohne Gentechnik (VLOG). Gentechnik müsse erkennbar bleiben, die Verbraucher hätten ein Recht auf Transparenz und Wahlfreiheit. Wenn der Weizen keine negativen Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit habe, sollte es kein Problem sein, eine EU-Gentechnik-Zulassung für ihn zu bekommen, sagte Hissting. [lf]