Europaflagge, Foto: Greg Montani https://pixabay.com/de/photos/europa-flagge-sterne-fahne-1395913/
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Gentechnikregelung: zweiter EU-Ratsvorsitz scheitert

27.06.2024

Die belgische Ratspräsidentschaft ist bereits die zweite, die sich am Widerstand diverser EU-Mitgliedstaaten gegen die Deregulierungspläne der EU-Kommission für neue Gentechnik die Zähne ausgebissen hat. Trotz intensiver Verhandlungen ist es ihr bis zur letzten Woche ihrer Amtszeit nicht gelungen, unter den EU-Mitgliedern einen mehrheitsfähigen Kompromiss zu finden. Nächste Woche übernimmt das gentechnikkritische Ungarn den Ratsvorsitz und hat schon verkündet, vieles sei noch nicht ausreichend diskutiert worden. Verbände und Unternehmen werden derweil nicht müde, ihre Kritik an der Neuregelung in die Debatte einzubringen.

Ein Knackpunkt der Auseinandersetzung ist nach Medienberichten die Frage, ob und wie mit neuer Gentechnik (NGT) entwickelte Nutzpflanzen patentiert werden können. Während die EU-Kommission erst mal abwarten will, ob es dafür überhaupt eine Regelung brauche, wollen Länder wie Ungarn Patente auf solche Pflanzen grundsätzlich verbieten, um mittelständische Agrar- und Züchtungsbetriebe zu schützen. Die Belgier hatten ihren Länderkollegen im Staatenbund zunächst vorgeschlagen, nur solche NGT-Pflanzen in die privilegierte Kategorie 1 einzuordnen, die nicht durch Patente geschützt sind. Diese Pflanzen würden nach dem Willen der EU-Kommission wie herkömmlich gezüchtete Pflanzen behandelt.

Vergangene Woche schlug Belgien dann aber vor, Feldversuche mit NGT-Pflanzen zu ermöglichen, ohne die Patentfrage vorher zu prüfen. Außerdem sollen nach dem Entwurf, der dem Infodienst Gentechnik vorliegt, Patente auf technische Verfahren möglich sein. Dafür fand sich bis zuletzt jedoch nicht die nötige qualifizierte Mehrheit von 55 Prozent der EU-Mitgliedstaaten, die 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren. Obwohl dem Vernehmen nach viel Druck auf das gentechnikkritische Polen ausgeübt wurde, das mit seiner Zustimmung diese Mehrheit wohl hätte sichern können, sah die Regierung Tusk noch zu viele Bedenken unbeantwortet.

Unterdessen erneuerten 17 europäische Organisationen aus Umweltschutz, Landwirtschaft, Imkerei und Lebensmittelproduktion diese Woche in einem Brief an die EU-Mitgliedstaaten ihre Forderung, dass alle NGT-Pflanzen auch in Zukunft verpflichtend auf ihre Risiken geprüft und im Praxiseinsatz überwacht werden müssen. Produkte aus solchen Pflanzen müssten gekennzeichnet werden. Da der belgische Vorschlag das nicht sicherstelle, solle der Rat sich den Bericht der französischen Lebensmittelbehörde Anses genauer ansehen, der dafür detaillierte, praxistaugliche Vorschläge mache.

Auch sechs Unternehmen der gentechnikfreien und ökologischen Lebensmittelwirtschaft wollen die Sommerzeit nutzen, um ihre Mitbewerber in Europa zu Protestbriefen an die politischen Führer der 27 EU-Mitgliedstaaten zu mobilisieren. „Im Dienst von Verbraucherschutz und fairem Wettbewerb wollen wir die vom EU-Parlament verabschiedete Verpflichtung zu Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit aller NGTs umsetzen“, heißt es in dem Textentwurf. Dazu benötige man Nachweisverfahren für alle NGT-Pflanzen und detaillierte Regelungen zur Koexistenz, die die gentechnikfreie Land- und Lebensmittelwirtschaft vor Kontamination mit NGT-Pflanzen schützen. Nur so könne die Wahlfreiheit der Kunden sichergestellt werden, hebt der Brief hervor. Auch nationale Anbauverbote müssten möglich sein.

Ungarn hatte sich in den Ratsdebatten bisher für viele dieser Punkte stark gemacht. Laut seinem Programm zur Ratspräsidentschaft will das Land einen Schwerpunkt auf nachhaltige Landwirtschaft setzen. Zu den „neuen genomischen Techniken“ heißt es dort nur, man wolle die Verhandlungen über den Gesetzesvorschlag fortführen. Am Rande des EU-Agrarministertreffens am Montag bewertete es der polnische Minister Czesław Siekierski jedoch gegenüber Journalisten als sehr schwierig für Ungarn, das Dossier bis zum Jahresende zu einem Abschluss zu bringen. Denn die beiden Vorgänger im Ratsvorsitz hätten es trotz größter Mühen nicht geschafft. Nach Ungarn müssen Anfang 2025 dann die Polen übernehmen.

Die EU-Kommission, die das Gesetzgebungsverfahren mit ihrem Entwurf im Juli 2023 in Gang gebracht hatte, will sich zum aktuellen Diskussionsstand von Europäischem Rat und Parlament nicht positionieren. Ein Vertreter der Generaldirektion Gesundheit bestätigte vergangene Woche bei einer Tagung des Verbands Lebensmittel ohne Gentechnik, die Kommission werde sich dazu erst äußern, wenn die beiden Gremien eine Position ausgehandelt hätten. Wie es aussieht, werden bis dahin noch viele gentechnikfreie Ackerfrüchte auf europäischen Feldern wachsen. [vef]

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