Mexiko will den Anbau von Gentech-Mais in der Verfassung verbieten

Mexikos Präsidentin Claudia Sheinbaum hat dem Parlament eine Verfassungsänderung vorgelegt. Darin wird Mais als Teil der nationalen Identität bezeichnet und der Anbau von gentechnisch verändertem Mais verboten. Sheinbaum reagierte damit auf eine juristische Niederlage: Ein Schiedsgericht hatte das 2023 erlassene Importverbot für Gentech-Mais aus den USA aufgehoben. Wie der Streit weitergeht ist angesichts der Zoll-Drohungen von US-Präsident Trump ungewiss.

Die von Sheinbaum vorgeschlagene Änderung der Artikel 4 und 27 der mexikanischen Verfassung würde Mais als „Element der nationalen Identität“ unter Schutz stellen. Er dürfe deshalb nur frei von gentechnischen Veränderungen und bevorzugt mit agrarökologischen Methoden angebaut werden, heißt es in dem vorgeschlagenen Verfassungszusatz. Dieser dürfte nach Ansicht mexikanischer Medien schnell und problemlos im Parlament beschlossen werden, da Sheinbaums Partei Morena zusammen mit ihren Verbündeten über die notwendige Mehrheit verfügt. Unumstritten ist der Vorschlag nicht. Indigenen und gentechnikkritischen Organisationen geht er nicht weit genug. Aus ihrer Sicht greift die Verfassungsänderung zu kurz, da sie Importe von gentechnisch verändertem (gv) Mais zulässt und dadurch heimische Maissorten nicht wirkungsvoll vor gentechnischen Verunreinigungen schützen kann. Die nationale Kampagne Ohne Mais kein Land (Sín Maíz no hay País) warf der Präsidentin sogar „Verrat“ vor, berichtete das Portal Amerika21. Um diesen Vorwurf zu verstehen braucht es einen Blick zurück. Denn gv-Mais aus den USA ist in Mexiko schon seit Beginn dieses Jahrhunderts ein heiß diskutiertes Thema.

Mexiko ist die botanische Wiege des Maises. Die Ureinwohner:innen züchteten aus dem Wildgras Teosinte zahlreiche Maissorten mit einer hohen genetischen Vielfalt. Mais ist deshalb das Grundnahrungsmittel in Mexiko. Bereits 2001 wiesen Wissenschaftler:innen erstmals nach, dass trotz offizieller Anbauverbote gv-Mais aus den USA das Erbgut alter mexikanischer Maisrassen verunreinigt hatte. Die damalige Regierung scherte das wenig. Sie ließ 2009 erste Freisetzungsversuche zu und wollte 2012 US-Konzernen erlauben, ihren Gentech-Mais auf 2,5 Millionen Hektar anzubauen. Ein Jahr später kassierte ein mexikanisches Gericht diese Pläne und alle bereits erteilten Freisetzungsgenehmigungen. 2017 fanden mexikanische Wissenschaftler:innen gv-Mais in vielen industriell gefertigten Tortillas. 2018 übernahm die gentechnikkritische Partei Morena die Regierung. Ihr Präsident López Obrador begann 2020 damit, schrittweise aus der Nutzung von gv-Mais und Glyphosat auszusteigen. Auf Druck der USA musste er seine Pläne, gv-Mais-Importe komplett zu verbieten, zurückziehen. Übrig blieb ein Verbot, Tortillas und den Teig dafür aus gv-Mais herzustellen. Allerdings importiert Mexiko aus den USA wenig weißen Mais für Tortillas, sondern vor allem gelben Mais im Wert von jährlich etwa fünf Milliarden US-Dollar als Viehfutter und für industrielle Zwecke. Dennoch werteten die USA dieses Verbot als Verstoß gegen das Freihandelsabkommen zwischen den USA, Mexiko und Kanada und riefen das in diesem Abkommen vorgesehen Schiedsgericht an. Das mexikanische Glyphosatverbot und ein Anbauverbot von gv-Mais in Mexiko waren explizit nicht Gegenstand des Verfahrens. Dieses endete im Dezember 2024 mit einem Bericht, der den USA in allen Klagepunkten Recht gab und der mexikanischen Regierung vor warf, ihre Maßnahmen seien nicht wissenschaftlich fundiert. Die Mexikaner hatten ein umfangreiches Dossier mit wissenschaftlichen Studien vorgelegt. Claudia Sheinboom kritisierte die Entscheidung, akzeptierte sie jedoch und legte als Antwort ihre Verfassungsänderung vor.

Die Kampagne Ohne Mais kein Land forderte laut Amerika21 eine Verfassungsreform, die nicht nur den Anbau sondern auch den Konsum von gv-Mais verbiete. Zudem sollten die heimischen Maissorten als „biokulturelles Erbe“ betrachtet werden und als „genetische Ressource“, die durch die Patentierung von Genen ernsthaft von Enteignung bedroht sei. Das Portal Mongabay zitierte den mexikanischen Bauernverband ANEC mit den Worten, die Verfassungsänderung sei ein positiver Schritt, aber sie schütze den Mais des Landes nicht vor Verunreinigung. Die Organisation Semillas de Vida warnte laut Mongabay davor, dass importierter gv-Mais in den indigenen Gemeinschaften die heimischen Maissorten verdränge. María Elena Álvarez-Buylla, die frühere Dirketorin der staatlichen Forschungseinrichtung Conacyt, plädierte für mehr Selbstversorgung auch beim Tierfutter: „Mexiko ist durchaus in der Lage, seinen eigenen gelben Mais zu produzieren, um sein Vieh zu füttern und den Bedarf der Industrie zu decken“, sagte sie Mongabay: „Ich denke, dass es für Mexiko von Vorteil wäre, wieder das zu produzieren, was wir brauchen, und keinen transgenen Mais mehr zu importieren.“

Wie der Streit mit den USA weitergeht, ist offen. Mit seinen Zolldrohungen gegen Mexiko und Kanada hat US-Präsident Donald Trump das Freihandelsabkommen der drei Staaten in die Tonne getreten. Es ist durchaus möglich, dass die gv Mais-Importe, das Anbauverbot und auch das Glyphosatverbot bei den anstehenden Verhandlungen über Zölle und über ein neues Abkommen auf den Tisch kommen. [lf]

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