Dossier

Bioökonomie

Unter dem Begriff „Bioökonomie“ werden zahlreiche Branchen, Technologien und politische Strategien zusammengefasst. Hauptziel ist es, die Abhängigkeit vom Erdöl zu verringern, indem Konsumgüter - von Sprit über Kosmetika bis hin zu Kunststoffen - auf pflanzlicher Basis hergestellt werden. Milliarden an öffentlichen und privaten Geldern fließen in die Erforschung neuer Materialien und Produktionsprozesse. Doch woher kommt die nötige Biomasse? Bleibt die Ernährung auf der Strecke? Und welche Rolle spielt die Gentechnik?

Beispiel: Gentech-Bäume

Gentechnisch veränderte Bäume sollen ein Holz liefern, das sich durch seine Zusammensetzung effizienter zu Papier oder Kraftstoff verarbeiten lässt. Geforscht wird vor allem an schnell wachsenden Bäumen wie Pappeln oder Eukalyptus. Sie werden auch mit Herbizidresistenzen ausgestattet, sollen selbst Schädlingsgifte (Bt) produzieren oder (bei Eukalyptus) Frost aushalten.

In China werden seit 2002 insektenresistente Bt-Pappeln angebaut. Brasilien erlaubte 2015 als erstes Land, Gentechnik-Eukalyptusbäume kommerziell anzupflanzen. Die Herstellerfirma der Gentech-Bäume wurde von einem Papierkonzern aufgekauft. Die US-Firma ArborGen wurde von Papierherstellern und Monsanto gegründet und bietet ebenfalls gentechnisch veränderten Eukalyptus an. In der EU wachsen derzeit in Schweden gv-Pappeln im Versuchsanbau. Geforscht wird auch in deutschen Laboren.

Die gentechnische Veränderung von Bäumen ist mindestens so umstritten wie die anderer Nutzpflanzen. Denn Bäume leben über Jahrzehnte, besitzen Kreuzungspartner in der Natur, sind zumeist Fremdbefruchter und produzieren riesige Mengen an Pollen und Samen. Das manipulierte Erbgut von gv-Bäumen wird sich also mit großer Sicherheit ausbreiten.

Weitere Infos zu transgenen Bäumen finden sich:

im Dossier Gentechnik-Bäume
auf  schule-und-gentechnik.de
in einem Bericht des österreichischen Umweltbundesamtes

Maßgeschneiderte GVO im Fermenter

Längst Alltag in der Bioökonomie sind gentechnisch veränderte Organismen (GVO) wie Hefen, Schimmelpilze oder Bakterien. Sie leben in Fermentern in einer Nährlösung und scheiden dabei die gewünschten Rohstoffe aus, etwa Vitamine, Enzyme oder Geschmacksstoffe. Verfahren wie Crispr/Cas erlaubten es „maßgeschneiderte Mikroorganismen“ zu konstruieren, heißt es in der Nationalen Bioökonomiestrategie. Die Erschließung neuer Organismen spiele eine wichtige Rolle in der industriellen Produktion und durch Methoden der synthetischen Biologie könnten die Eigenschaften der Mikroorganismen „gezielt an spezifische Produktionsbedingungen angepasst werden“. In der Synthetischen Biologie werden ganze Erbgutsequenzen im Labor konstruiert und dann Organismen eingepflanzt – also neues, künstliches Leben geschaffen.

Finanzielle Förderung

Forschungseinrichtungen, Universitäten und Unternehmen erhalten für ihre biotechnologischen Entwicklungen seit Jahren erhebliche Gelder aus öffentlichen Töpfen. Allein das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) verteilt über seinen Haushaltstitel Bioökonomie jedes Jahr gut 130 Millionen Euro an Fördergeldern. Hinzu kommen noch Gelder, mit denen das BMBF Wissenschaftsorganisationen wie etwa die Max-Planck-Gesellschaft fördert. Von diesen Geldern wird ein nicht bezifferter Teil ebenfalls für Biotechnologie verwendet.
Zwischen 2011 und 2017 stellte die Bundesregierung in ihrer Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030 2,4 Milliarden Euro zur Verfügung.
Die Europäische Union (EU) vergab mit dem Bioökonomie-Programms "Horizon 2020" zwischen 2014 und 2020 79 Milliarden Euro für die Forschung. Für die kommenden sieben Jahre hat sie sogar 100 Milliarden Euro dafür eingeplant.
Neben Bund und EU fördern auch die Bundesländer Bioökonomie mit eigenen Strategien und Geldern. Ein Überblick über die Länderprogramme und ihre Schwerpunkte gibt es
auf dem Portal biotechnologie.de.
Dort findet sich auch ein Projektatlas,
der fast 2000 unterstützte Forschungsprojekte auflistet.

EU: "Horizon 2020", 2014-2020

Kritik der Bioökonomie

Das Ziel, von fossilen Energieträgern und Erdöl als Chemierohstoff loszukommen, teilen auch Kritiker der herrschenden Bioökonomie. Sie kommen meist aus den Bereichen Umwelt- und Verbraucherschutz oder Entwicklungsarbeit und setzen sich in Deutschland im Aktionsforum Bioökonomie für eine ökologische und sozial gerechte Bioökonomie ein. Sie bezweifeln, dass es möglich ist, einfach auf Pflanzen als Rohstoff umzusteigen, ohne unser Konsumverhalten zu ändern. Die gewaltigen Flächen an Äckern und Wäldern, die dafür nötig wären, gibt es aus ihrer Sicht nicht. So seien „die Waldökosysteme schon heute von der globalen Holznachfrage für Brennstoff, Konstruktionsmaterial, Stromproduktion oder Zellstoff für die Papierproduktion erschöpft“, schreibt Peter Gerhardt, Geschäftsführervon Denkhaus Bremen.

Mehr Biomasse, mehr Probleme

Der Import von Biomasse aus dem globalen Süden sei hoch problematisch, heißt es in einer Erklärung des Aktionsforums Bioökonomie.
„Schon heute kann die industrielle Land- und Forstwirtschaft in den betroffenen Ländern dazu führen, dass Menschen vertrieben und ausgebeutet werden und Naturräume zerstört werden.“ Ein Anstieg der Nachfrage nach Biomasse würde diese Probleme weiter verschärfen. Deshalb fordert das Aktionsforum, den Ressourcenverbrauch zu verringern und verpflichtende ökologische und soziale Standards festzulegen. Erforscht werden müssten „alternative Konzepte jenseits der industriellen Markt- und Verwertungslogik“.

Die Flächen sind begrenzt

Steigende Landpreise führen schon heute zur Verdrängung armer Bevölkerungsschichten, ihnen fehlt oft der Platz zur Erzeugung ihrer Nahrungsmittel. Der Anbau in Monokulturen laugt Böden aus und belastet die Umwelt. „Mehr Biomasse zu erzeugen wird schwierig, weil die landwirtschaftlichen Flächen begrenzt sind und eine Intensivierung auch zu Kollateralschäden führt, beispielsweise durch stärkeren Düngereinsatz, der schädlich fürs Klima ist“, erklärt Steffi Ober, Teamleiterin Ökonomie und Forschungspolitik beim Naturschutzbund NABU. „Das Ziel müsste eigentlich sein, dass jede Person mit zwei Hektar auskommt. Wir sind momentan bei drei Hektar in den reichen Industrieländern. Das muss weniger werden."

Das Bundeslandwirtschaftsministerium beziffert die landwirtschaftliche Fläche in Deutschland mit 18 Millionen Hektar. Davon wurden im Jahr 2019 auf 2,7 Millionen Hektar Energie- und Industriepflanzen angebaut, etwa Mais für Biogasanlagen, Raps für Biodiesel oder Pflanzen für Industriealkohol. Hinzu kommen noch 11,4 Millionen Hektar Wald, die Holz als Rohstoff liefern.

Laut Statistischem Bundesamt belegte Deutschland 2017 zusätzlich 2,3 Millionen Hektar landwirtschaftliche Fläche im Ausland. Dort wuchsen für den deutschen Markt Kakao und Kaffee, aber auch Futtermittel für Tiere und Ölpflanzen für Biodiesel. Diese im Ausland belegte Fläche wuchs seit 2010 um acht Prozent.

Aktualisiert: Dezember 2020

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